Neumünster (em) Die Mineralölpreise waren schon vor dem Ukraine-Krieg problematisch, nun bangt der Wirtschaftsbereich ums Überleben Die aktuellen Energiepreise treiben die Handwerksbetriebe massiv in die Enge. Mit Spitzenwerten beim Diesel-Kraftstoff von 2,18 Euro pro Liter geraten die Unternehmen von mehreren Seiten unter Druck.

„Auf der einen Seite stehen die immens gestiegenen Frachtkosten für das Material, das wir bestellen. Auf der anderen Seite sind unsere eigenen Fahrtkosten zur Baustelle exorbitant hoch. Wer soll das bezahlen?“, fragt Jörg Specht, Bauunternehmer in Bad Segeberg. Der stellvertretende Kreishandwerksmeister gibt die Antwort selbst: „Die Preise müssen an den Auftraggeber weitergegeben werden. Das kann zur Folge haben, dass sich willige Häuslebauer ihr Vorhaben zurzeit nicht leisten können oder wollen und Aufträge erst einmal nicht vergeben. Das wiederum könnte bedeuten, dass sich sich Betriebe verkleinern müssen – sprich: Entlassungen drohen.“

Noch hat Jörg Specht, Inhaber des mittelständischen Familienunternehmens Specht Bau mit 50 Angestellten, keine Auftragsverluste zu beklagen. „Ich befürchte aber, dass das Schlimmste noch auf uns zukommt“, so der Obermeister der Baugewerbe-Innung. Er gibt ein Rechenbeispiel: Eins seiner Auftragsgebiet ist Hamburg. Wenn täglich vier Autos in die Hansestadt und zurück nach Bad Segeberg rollen, sind das rund 2500 Kilometer pro Woche. Legt man einen Dieselpreis von 2,15 Euro je Liter an, sind das allein rund 800 Euro an Spritgeld pro Woche. „Im Vergleich zu ortsansässigen Firmen besteht allein dadurch die Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten“, so Specht.

Die Handwerkskammer Lübeck weiß, dass die Befürchtungen von Jörg Specht kein Einzelfall sind, eine Sprecherin bestätigt: „Die hohen Kraftstoffpreise beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit der Handwerksbetriebe zum Teil enorm. Und sie sind nicht das einzige Problem: Hinzu kommen signifikant steigende Energiekosten und ganz erhebliche Preissteigerungen sowie Engpässe auf den Rohstoffmärkten, von denen – in unterschiedlichen Ausprägungen – alle Handwerksbetriebe betroffen sind. Die Sorge im Handwerk darüber, wie sich die Situation weiter entwickelt, ist groß.“

Fahrzeugflotte verkleinern
„Eine Katastrophe“, meint auch Bernd Ewert, Zimmerermeister aus Boostedt. Ob er für einen Auftrag in Hamburg, der vor dem Ukraine-Krieg abgeschlossen wurde, noch einen Nachtrag für erhöhten Dieselpreis fordern kann, ist unklar. „Das Problem ist ja zudem die Frachtkostensteigerung um etwa 25 Prozent, die wir auch aufschlagen müssen“, schildert Bernd Ewert. „Im Notfall bleiben wir auf den Kosten sitzen“, so der Chef des fünf Mann starken Betriebs. Er macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam – das Wetter. „Bei schlechtem Wetter schafft man nicht so viel, das bedeutet, mehr Touren zu fahren und also mehr Diesel zu verbrauchen. Insgesamt sind wir existenziell noch nicht bedroht, aber die Ungewissheit ist groß.“ Der Betrieb überlegt Szenarien für den „worst case“ und müsste unter Umständen einen Kleintransporter abgeben, um dafür einen Mehrsitzer zu kaufen. „Die sind aber steuerlich wieder teurer, weil sie eine PKW-Zulassung haben. Und batteriebetriebene Transporter, die auch einen schweren Anhänger ziehen können, gibt es nicht“, so Ewert.

Über die jüngst von der Ampel-Koalition beschlossene Energiepreispauschale von 300 Euro kann Bernd Ewert nur den Kopf schütteln: „Das bringt uns nichts, verursacht sogar noch zusätzliche Kosten bei den Sozialabgaben. Und bei den Angestellten bleibt wegen der Einkommenssteuer kaum etwas hängen.“ Und die Reduzierung des Dieselkraftstoffs um 14 Cent je Liter auf europäisches Mindestniveau seit ersten April? Bauunternehmer Specht sieht darin keine Hilfe: „Was wir brauchen, ist eine deutliche Entlastung. Das hingegen ist ein Witz.“

Foto: Diesel ist viel zu teuer: Für Diplom-Ingenieur und Firmenchef Jörg Specht gehen die Hilfen der Bundesregierung nicht weit genug.