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Leben neu denken auf einer wilden Erde


Das Zeitalter des Fortschritts ist tot, das Zeitalter der Resilienz bricht an. Jeremy Rifkin liefert die übergreifende Erzählung für die Neuorientierung menschlichen Handelns auf einem zunehmend unberechenbaren Planeten. 

Die Viren kommen in immer neuen Wellen. Das Klima erwärmt sich weiter. Extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen häufen sich. Lange haben die Menschen geglaubt, sie könnten die Natur bezwingen, doch nun müssen sie erkennen, dass die Naturgewalten größer sind und sich nicht mit den herkömmlichen  Rezepten bekämpfen lassen. Überall  schrillen  die  Alarmglocken, und die Forderungen nach einer grundlegenden Neuausrichtung werden lauter. 

Ist  die  Menschheit  noch  zu  retten?  Ja,  doch  dafür  bedarf es einen  radikalen Wandel  unseres Selbstbilds, ist Jeremy Rifkin überzeugt. Die Menschheit muss alles überdenken – ihr Verständnis von der Welt, ihre Art zu wirtschaften, ihre politische Ordnung, ihre Verortung in Raum und Zeit, ihr gesamtes Handeln und ihr Verhältnis zu unserem Planeten. 

Wie wurden die Menschen zu den Ausbeutern, die die Natur beinahe in die Knie gezwungen haben? Rifkin verbindet eine historisch fundierte Herleitung mit dem Ausblick in eine kooperative, empathische Zukunft. Er schlägt vor, die Natur als »Lehrraum« zu betrachten. In den vier Teilen seines Buches breitet er die Dialektik der Moderne vor uns aus: beginnend bei den Benediktinern und ihrem rationalisierten Tagesablauf bis zum Mangel an elementaren Dingen ‐ wie etwa Toilettenpapier ‐ mit dem Ausbruch der Corona‐Pandemie. Er entfaltet das Dilemma des Kapitalismus, der sich durch die Privatisierung von Raum und Zeit von der Natur entfremdet hat und sich selbst an den Rand des Ruins manövriert. Rifkin wirbt für ein neues Verständnis von Evolution, in der der Mensch nicht mehr Herrscher über, sondern kooperativer Teil der Natur ist.

Rifkin zeigt, wie eine Infrastruktur der Resilienzrevolution aussehen kann, wie eine bioregionale Ordnung entsteht und warum die repräsentative Demokratie von der Peerocracy abgelöst wird – einer erweiterten demokratischen Ordnung, in der die Menschen das Bewusstsein entwickeln, dass die Natur als Grundlage und Teil von allem respektiert werden muss.

Historischer Blick und Zukunftsbild – Jeremy Rifkin kann beides. Sein neues Buch lädt dazu ein, das  liebgewonnene  Konzept  der  Autonomie  des  Menschen  in Frage  zu  stellen  und  ein  neues Gespräch über die Zukunft der Spezies zu führen 

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