Bad Bramstedt (jj/jf) Für die Demonstration am gestrigen Montag rief unter anderem die Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genussmittel und Gaststätten) nach Kiel. Zahlreiche Mitarbeiter des Schlachthofes Vion und anderer durch die Schließung betroffener Unternehmen folgten.
Trotz schwerwiegender, eindeutiger Funde im Schlachthof, die sowohl auf einen katastrophalen hygienischen Zustand der Hallen als auch einen lebensverachtenden Umgang mit den Rindern hinweisen, steht für zahlreiche Betroffene und einige Politiker die Betriebsaufnahme im Vordergrund. Bilder, die vor Ort entstanden, zeigen eindeutig, dass zahlreiche Rinder aufgrund falsch gesetzter Bolzenschüsse unnötig hatten leiden müssen. Anstatt betäubt zu werden, erlebten die Tiere das Ausbluten und zum Teil sogar das Zerlegen im wachen Zustand.
Die Frage ist: Wie kann es dazu kommen?
Laut Robert Habeck, Schleswig-Holsteinischer Landwirtschaftsminister, hat es bereits vor mehr als einem Jahr hygienische Beanstandungen gegeben, deren Beseitigung Vion auferlegt worden war. Im Speziellen ging es dabei um Schwarzschimmel, Tropfwasser und Grünalgen. Einen knappen Monat später wurde nach einer Kontrolle durch den Segeberger Kreisveterinär dem Ministerium die Entwarnung gegeben.
Nicht einmal ein Jahr später lag ein Bericht im Ministerium vor, den die Fachaufsicht und Minister Habeck umgehend an die Staatsanwaltschaft übergaben. „Es lag eindeutig der Verdacht strafbarer Handlungen vor“, so Habeck.
Wie reagiert die Landrätin?
Kurz zuvor ging der gleiche Bericht in Bad Segeberg ein, wo er offenbar anders interpretiert wurde. Eine durch den Chef der Amtstierärzte angeordente Kontrolle ergab: Es ist alles in Ordnung bei Vion. Wie konnte das sein? Immerhin hatte sich bei der Durchsuchung des Schlachthoes mit rund 250 Polizisten, Zollbeamten und Staatsanwälten kurz darauf ein ganz anderes, grausemes Bild dargestellt. Robert Habeck fasste die schockierenden Funde zusammen und berichtete von kranken Rindern, die nicht in die Schlachtung gedurft hätten, vordatierten Verpackungsmaterialien und Rinderköpfen mit zu vielen Einschusslöchern oder sogar gar keinen. Hätte das tierschutzmissachtende Schlachten vielleicht früher ein Ende haben können? Hätte Jutta Hartwieg schneller und auch nachhaltiger agieren müssen?
In einem Interview im ndr wirkte die Landrätin betroffen und ähnlich angegriffen wie zum Beispiel im „Kellerkind-Fall“, in dem ihr ebenfalls ein unglückliches Vorgehen vorgeworfen wurde, überfordert. Wie Hartwieg im Fernsehen sichtlich angegriffen berichtete, liegen ihr deutliche Unmutsbekundgungen von Bürgern vor, in denen ihre Amtsführung kritisiert wird. Sie selbst erklärt in der Sendung, sie fühle sich nicht überfordert, sondern gefordert. Das sehen einige Bürger anders und fordern sie auf „Frau Hartwieg, tun sie sich und Segeberg einen Gefallen, treten sie zur Landratswahl am 4. April nicht wieder an“.
Ob die abermals unglückliche Außendarstellung der Landrätin Auswirkungen auf ihre berufliche Zukunft hat, entscheiden die Mitglieder des Segeberger Kreistages bei der Landratswahl am 4. April, in der die 52-Jährige zur Wahl steht. Entschieden wird, ob sie sich trotz fehlender Fortune während ihrer Amstszeit noch einmal versuchen darf, oder ob die Politik einen Neuanfang zur Stabilisierung der Kreisverwaltung sucht.
Den ersten Bericht mit exklusiven Bilder der Durchsuchung finden Leser hier:
www.stadtmagazin-bad-bramstedt.de/aktuell/1402/grosseinsatz-bei-vion-in-bad-bramstedt-%28fotogalerie%29