Henstedt-Ulzburg (em) Es wirkte fast schon familiär, als sich kürzlich die Künstlerinnen und Unterstützerinnen der „Kunststation Henstedt-Ulzburg“ trafen, um deren einjähriges Bestehen zu feiern. Seit dem Sommer 2022 existiert in den ehemaligen Räumlichkeiten des „Henstedter Hofes“ eine Einrichtung, die mindestens in dieser Region einzigartig ist: Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund drücken sich selbst und ihre Erfahrungen künstlerisch aus, bauen damit Brücken zu anderen Kulturen und treten über ihr Schaffen in den Dialog mit Einheimischen.
Feri Tabrisi, Initiatorin, Künstlerin und unermüdliche Aktivistin der Kunststation, hat dafür mit Unterstützung der Gemeinde und vielen freiwilligen Helfer*innen die Räume der ehemaligen Gaststätte in ein Atelier mit Ausstellungsraum verwandelt. Für die kleine Jubiläumsfeier waren verschiedene Kunstwerke wirkungsvoll in Szene gesetzt, ein „Werkstattvideo“ vorgeführt und ein orientalisches Buffet mit Fingerfood aufgebaut worden. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Hassan Mohammad, der zu den Klängen einer SAZ syrische Folkloremusik präsentierte.
Die Besucher*innen, unter ihnen die stellvertretende Bürgervorsteherin Annemarie Winter, zeigten sich beeindruckt: „Ich habe bisher unterschätzt, was hier entstanden ist“, gibt Winter unumwunden zu. Auch Wenzel Waschischeck, Integrationsbeauftragter der Gemeinde, freute sich sichtlich darüber, was aus den ehemals „immer etwas düster und bedrückend wirkenden“ Räumlichkeiten der ehemaligen Gaststätte geworden ist: „Räume, in denen einen sofort das Gefühl von Bedeutung überkommt“. Und tatsächlich ist „Bedeutung“ ein wichtiges Stichwort für die gemeinsame Arbeit in der Kunststation. Die entsteht zunächst einmal über den Grundsatz, dass ausschließlich mit Abfallprodukten gearbeitet wird, die durch die künstlerische Bearbeitung eine gänzlich neue Bedeutung bekommen. So wird z. B. aus einem Stapel alter CD-Hüllen eine ästhetisch wirkende Säule, auf der eine menschliche Figur präsentiert wird. Auch die Figur selbst ist aus Holzabfällen gefertigt und effektvoll mit Farben und Folien „zum Leben erweckt“ worden. Bedeutung entsteht aber auch durch das, was mit den Kunstwerken ausgedrückt werden soll. „Kunst ist viel mächtiger, als den meisten bewusst ist. Das wissen auch die Herrschenden in diktatorisch regierten Ländern, die Kunstschaffende unterdrücken oder deren Arbeit gleich ganz verbieten“, weiß Tabrisi. So ist es ihr ein großes Anliegen, die Selbstbestimmung von Frauen zu fördern und auf Unterdrückung hinzuweisen. Zum Ausdruck bringt sie dies zum Beispiel mit einer Installation, die eine stilisierte verschleierte Frau hinter hohen bunten Säulen zeigt. Die Säulen stehen für Gesetze und gesellschaftliche Normen, die sich oft als kulturelle Identität tarnen, in Wirklichkeit aber zu Gefängnissen für die Frauen werden.
Aber nicht immer geht es bei den in der Kunststation entstehenden Kunstwerken um politische Aussagen. So wurde z. B. ein einfacher alter Tisch mit Farben und alltäglichen Materialien in ein „Schmuckstück“ verwandelt, ein Porträt des Komikers Charlie Chaplin ganz neu interpretiert oder aus alten Heugabeln ein prächtiger Leuchter gefertigt.“ Immer ist entscheidend, dass Menschen zusammenkommen und Freude an der gemeinsamen kreativen Arbeit haben“, erklärt Tabrisi. VHS-Leiter Dr. Jochen Brems, der ebenfalls zu den Gästen zählte, sah genau hierin auch eine Gemeinsamkeit zwischen VHS und Kunststation: durch gemeinsames Tun können neue Erfahrungen gemacht und für die Menschen Bedeutsames geschaffen werden.
Tabrisi wünschte sich schließlich, dass noch mehr Henstedt-Ulzburgerinnen den Weg in die Kunststation finden. „Einfach mal vorbeikommen und sich bei einem Tee über die Kunststation informieren“, so lautet ihre Einladung an alle. „Vielleicht bekommt die eine oder andere dann ja eine Idee zu einem eigenen kleinen Kunstwerk oder bekommt Lust, an einem Gemeinschaftswerk mitzuarbeiten.“ Die Kunststation ist jeden Dienstagnachmittag von 15.00 - 17:00 Uhr für Besucherinnen geöffnet. Unter der Tel.-Nr. 0178 5656335 kann aber auch gerne ein persönlicher Termin mit Tarbisi verabredet werden.
Foto: Künstlerinnen und Unterstützerinnen der Kunststation mit Initiatorin Feri Tabrisi (Mitte).