Norderstedt (rj) Sollen die örtlichen Kommunalpolitiker künftig auch auf dem Internetportal abgeordnetenwatch.de vertreten sein? Zuletzt haben wenige Rückmeldungen von Stadtvertretern nach einer Anfrage einen Beitritt der Stadt verhindert.
Auf der Seite haben Bürger die Chance, Abgeordneten themenbezogene Fragen zu stellen. Transparent werden die Antworten dann veröffentlicht oder auch die mangelnde Bereitschaft zum Dialog dokumentiert.
Mangelnd waren aber allein schon die Rückmeldungen aus der Politik, ob die Stadt dem Verein Parlamentwatch beitreten soll. Zwar wurde ein entsprechender Antrag der Linken in der September-Sitzung des Hauptausschusses mehrheitlich beschlossen, dann kam jedoch alles anders.
Nur ein vollständiges Gremium kann auf der Internetseite aufgenommen werden. Das ist möglich, wenn nicht mehr als zehn Prozent der Stadtvertretung die Teilnahme verweigert. Für die Stadt wäre ein Jahresbeitrag in Höhe von 1200 Euro fällig. Alle Stadtvertreter wurden persönlich angeschrieben. Von den 35 abgegebenen Rückmeldungen es gibt 49 Sitze in der Stadtvertretung haben fünf Politiker einer Teilnahme nicht zugestimmt. Die Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Beitritt der Stadt ist somit nicht erfüllt. Was nun? Wir fragten nach.
CDU: Freiwilligkeit beachten
Die Auffassungen über eine „freiwillige Selbstkontrolle“ der eigenen Abgeordnetentätigkeit sind in der CDU durchaus uneinheitlich. Trotz vielerlei Bedenken hat sich die überwiegende Zahl der christdemokratischen Stadtvertreter für abgeordnetenwatch.de ausgesprochen. Leider will der Anbieter für das auf Bundes- und Landesebene auf freiwilliger Basis etablierte Angebot, auf kommunaler Ebene aus wirtschaftlichen Gründen ein einheitliches Votum erzwingen, sprich die Stadt als kostentragenden Auftraggeber für alle Abgeordneten gewinnen, da sich sonst der Aufwand nicht lohne. Dafür haben sich bisher keine Mehrheiten ergeben. Es bleibt somit der Verantwortung jedes einzelnen Mandatsträgers überlassen, für das Maß an Transparenz zu sorgen, dass er für notwendig und leistbar hält. Eine Überprüfung der Anfragevolumina in einer Stadt wie Bielefeld zum Beispiel ergeben allerdings eher klägliche Zahlen. Auch ist die Schlußfolgerung absurd, das Fehlen von Internetaktivitäten bei Abgeordneten sei ein Ausdruck mangelnden Willens zu Transparenz.
SPD: Maximale Transparenz
Parlamentwatch.de ist ein Mittel der Kommunikation mit unseren Wählern und den Bürgern unserer Stadt. Der Anteil der Online-Nutzer steigt stetig quer durch alle Altersgruppen. Dennoch glauben wir nicht, dass dieses das Allheilmittel gegen politisches Desinteresse ist. Der bevorstehende Kommunalwahlkampf wird zeigen, ob und wenn ja, in welcher Weise die Parteien echte Transparenz üben. Wir diskutieren derzeit verschiedene Konzepte, orientieren uns dabei jedoch an der Leitlinie der maximalen Transparenz. Online und im wahren Leben werden wir Rede und Antwort stehen. Unsere Bürger und Wähler sollen wissen, wem sie für die kommenden fünf Jahre ihre Stimme und ihr Vertrauen schenken. Auch wir werden in Zukunft Facebook als weitere Plattform in unser Online-Angebot aufnehmen. Bei allen Unkenrufen gegen die „Datenkrake Facebook“ sehen wir vor allem die Chancen unsere politischen Inhalte besser und schneller transportieren zu können. Entsprechend werden wir unsere Inhalte auf www.spd-norderstedt.de besser zugänglich machen.
GALiN: Wir pflegen alle Kontaktformen
Parlamentswatch.de ist in unserer Stadt nur eine von vielen Möglichkeiten für Bürger, zu ihren gewählten Stadtvertretern in Kontakt zu treten. Diese Größenordnung, etwa 75.000 Einwohner, gestattet es unverändert auch die vermeintlich altmodischen Kommunikationsformen zu pflegen, wie etwa der direkte Schnack über den Gartenzaun unter Nachbarn, das Telefonat oder die ausführliche Schilderung eines Problems per Brief. Die GALiN versteht sich als Sprachrohr der Bürger direkt vor Ort und es wäre eine Pervertierung des Kommunikationsgedankens, nun nur noch über eine zwischengeschaltete Institution wie abgeordnetenwatch.de oder über Facebook miteinander zu reden. Wir pflegen alle Formen und ermöglichen es so auch den jüngeren Mitbürgern, die ihnen adäquate Form der Kontaktaufnahme zu wählen. Dabei ist abgeordnetenwatch.de hervorragend geeignet, Anfragen und Sachverhalte zu einem bestimmten Stichwort zu dokumentieren. Das erhöht die Transparenz. Deshalb wird sich die Fraktion 2013 der Initiative anschließen.
FDP: Persönliche Gespräche lieber
Bürgerfern, abgehoben, eingefahren gern genutzte Schlagwörter, wenn es um uns Kommunalpolitiker geht. Viele Bürger aber wissen das persönliche Gespräch zu schätzen, wenn es um eine notwendige Genehmigung, einen zukünftigen Straßenverlauf oder die Frage der Schulausstattung geht. Wir empfangen in etwa jeder zweiten Fraktionssitzung Vertreter von Verbänden, Vereinen und Initiativen. Die FDP hat in der zu Ende gehenden Wahlperiode unter anderem Sportvereine und Schulen besucht und deren Belange in den Haushaltsberatungen durchgesetzt. Unsere Präsenz im Internet informiert dabei über Personen und Themen und bietet die Möglichkeit der Kontaktaufnahme; mehr können wir ehrenamtlich nicht leisten. Deshalb haben wir den Versuch eines Bürgerhaushaltes unterstützt und zum Beispiel eine Anhörung zum Thema Pferdesteuer durchgeführt. Die FDP wird sich auch am Projekt „Abgeordnetenwatch“ beteiligen, aber nicht alle liberale Stadtvertreter sind bereit, morgens auf Facebook zu verkünden, wie der Kaffee geschmeckt hat.
Die Linke: Abwehrhaltung ist dumm
abgeordnetenwatch.de kommt nach Norderstedt, soviel ist sicher. Schade nur, dass es viele Stadtvertreter nicht verstanden haben, welches Signal sie mit ihrer Ablehnung oder passiven Haltung gegen unseren Antrag, die Stadt solle Partner von abgeordnetenwatch.de werden, gesendet haben.
Alle Parteien beklagen die zunehmende Politikverdrossenheit, manche auch die Überalterung der Politiker und damit ihrer Politik. Sich dann gegen dieses Instrument der Partizipation zu stellen, was sicher eher von jüngeren, internetaffinen Bürgern genutzt wird, ist geradezu dumm.
Umso besser, das alle Fraktionen jenseits der CDU nun einen Weg gefunden haben, abgeordnetenwatch.de auch für die Norderstedter Stadtvertretung ab voraussichtlich kommenden Februar online zu stellen. Ab da können dann allen Stadtvertretern Fragen auch zur kommenden Kommunalwahl gestellt werden. Und vielleicht ist dann ja auch die CDU-Fraktion mit neuer Fraktionsspitze in der Lage, sich wieder ein wenig bürgerfreundlicher zu geben.