Norderstedt. Erinnerungsarbeit ist wichtiger denn je. Die Stadt Norderstedt und der Norderstedter Verein „Chaverim – Freundschaft mit Israel“ nehmen Gedenktage, die an die „Reichspogromnacht“ (9. November) sowie an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnern (Holocaust-Gedenktag am 27. Januar), zum Anlass, gemeinsam ein klares Zeichen zu setzen: Nie wieder ist jetzt.

Mit Blick auf den aktuellen Nahostkrieg, ausgelöst durch den blutigen Überfall der radikalislamischen Hamas, sagte Ayala Nagel, Vorsitzende von „Chaverim“: „Wir trauern und gedenken der Millionen Opfer des Holocaust – und jetzt noch um mehr als 1000 unschuldige Opfer mehr. Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Stadt Norderstedt so fest an unserer Seite steht.“ Für Norderstedts II. Stadträtin und Kulturdezernentin Katrin Schmieder ist es in diesen Tagen wichtiger denn je, hierzulande klare Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus zu setzen.

Am Donnerstag, 9. November, erinnern die Stadt und der Verein wie in den Vorjahren an die verhängnisvolle Nacht vom 9. auf 10. November 1938, als Synagogen überall in Deutschland geschändet und zerstört wurden. Hunderte von Jüdinnen und Juden wurden aus ihren Wohnungen und Geschäften gezerrt und innerhalb weniger Tage entwürdigt und ermordet. Die „Reichs-Pogromnacht“ am 9. November 1938, genau vor 85 Jahren, war der Auftakt zu dem, was die Nationalsozialisten „die Endlösung der Judenfrage“ nannten. Ab 15 Uhr findet eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegungen an der KZ-Gedenkstätte Wittmoor am Fuchsmoorweg in Norderstedt statt. Damit möchten die Veranstalter*innen ein klares Zeichen setzen: Das was damals passiert ist, darf nie wieder passieren. Die Gedenkfeier ist öffentlich. Für die Stadt wird Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sprechen.

Am Abend des 9. November findet zudem eine Lesung in der Stadtbücherei Norderstedt-Mitte statt. Ab 19.30 Uhr liest Barbara Brix aus Clara und Walter Bacher / Hamburg – Theresienstadt – Auschwitz. Die Autorin hat die Geschichte des im KZ Ausschwitz ermordeten Hamburger Lehrerpaars Clara und Walther Bacher eindrucksvoll erforscht und aufgeschrieben. Vor dem Gymnasium Klosterschule am Berliner Tor in Hamburg liegen drei Stolpersteine. Zwei davon sind Clara Bacher und ihrem Mann, Dr. Walter Bacher, gewidmet. Er war bis 1933 ein fortschrittlicher, hochgeschätzter Lehrer an dieser Schule - bis zu einer folgenschweren Pausenkonferenz, die den Ankauf eines Hitlerbildes, die Übertragung der Führerrede am 1. Mai in die Aula der Schule sowie die „nichtarische Abstammung“ von Mitgliedern des Lehrerkollegiums thematisierte. Für ihn und seine Frau, beide Kinder jüdischer Eltern, begann an diesem Tag ein beruflicher und persönlicher Niedergang.

Barbara Brix, die 50 Jahre später selbst an dieser Klosterschule unterrichtete, ließ die Geschichte der beiden engagierten Lehrkräfte nicht los. In ihrer Dokumentation zeichnet die Autorin ihr Leben in Text und Bild nach. Im Anschluss an ihre Lesung in der Stadtbücherei Norderstedt-Mitte, die begleitet wird von eindrücklichen Bildern (zusammengestellt von Daniel Köhler), ist Zeit für Gespräche. Durch den Abend führt die Moderatorin Corinna Below.

Datum und Zeit: Do., 9. November, 15.00 Uhr
Veranstaltung: Gedenkstunde mit Kranzniederlegung
Ort: KZ-Gedenkstätte Wittmoor, Fuchsmoorweg Norderstedt
Die Veranstaltung ist öffentlich.

Datum und Zeit: Do., 9. November, von 19.30 Uhr bis 21 Uhr

Veranstaltung: Clara und Walter Bacher / Hamburg – Theresienstadt – Auschwitz: Buchvorstellung und Gespräch mit Barbara Brix
Ort: Stadtbücherei Norderstedt-Mitte
Eintrittspreis: 9,50 Euro plus Gebühren
Vorverkauf: https://www.vhs-norderstedt.de
Kurs Nr.:        H53310

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag (27. Januar 2024) präsentieren das Amt für Bildung und Kultur Norderstedt und „Chaverim – Freundschaft mit Israel“ abermals eine besondere musikalische Lesung. Das Ensemble aus Schauspieler Roman Knižka, Pia Liebhäuser (Mezzosopran) und dem Bläserquintett OPUS 45 beschreitet mit dem Programm „ICH WAND’RE DURCH THERESIENSTADT…“ disziplinübergreifende Wege, die in der deutschsprachigen Konzertlandschaft einmalig sind. 

Im Jahr 1941 errichtete die SS in der böhmischen Stadt Terezín das Lager Theresienstadt. Es diente bis 1945 als Gefängnis für 150.000 deutsche, österreichische, tschechische, später auch holländische und dänische Jüdinnen und Juden. Jede*r Vierte der in Theresienstadt inhaftierten Jüdinnen und Juden starb dort. Von den fast 15.000 Kindern, die nach Theresienstadt kamen, überlebten nur 132. Für Unzählige war der Ort ein „Vorhof der Hölle“; letzte Station vor dem Weitertransport in Vernichtungslager wie das KZ Auschwitz-Birkenau.

 Die szenische Lesung erinnert an das unfassbare Leid, die Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden unter dem NS-Regime, aber auch an die Hoffnungen und die künstlerische Selbstbehauptung der in Theresienstadt Inhaftierten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Schicksalen damals junger Menschen. Es scheint rückblickend kaum vorstellbar, dass sich in Theresienstadt trotz katastrophaler Lebensbedingungen, zermürbender Zwangsarbeit, ständigem Hunger, Krankheit und der allgegenwärtigen Todesangst ein reges kulturelles Leben entwickelte. 

„Es ist uns ein dringendes Bedürfnis, im kulturellen Bereich Räume und Anlässe zu schaffen, um zu erinnern und zu gedenken“, sagt Kulturmanagerin Maria Stabel vom Norderstedter Amt für Bildung und Kultur.
Der bekannte TV-Darsteller Roman Knižka liest aus Erinnerungen unter anderem von Ruth Klüger, Eva Erben, Helga Hošková-Weissová und Margot Kleinberger. Gedichte und Texte von Kindern und Jugendlichen, die in Theresienstadt inhaftiert waren, kommen ebenso zu Gehör, wie Lyrik der als Kinderkrankenschwester arbeitenden Schriftstellerin Ilse Weber. Gemeinsam mit dem Bläserquintett interpretiert Mezzosopranistin Pia Liebhäuser (Staatsoper Stuttgart) Werke von Carlo Sigmund Taube, Hans Krása, Viktor Ullmann, Gideon Klein, Maurice Ravel und Kurt Weill. In Theresienstadt inhaftiert und von den Nationalsozialisten ermordet, geriet das Werk dieser bedeutenden Komponisten nach Ende des Zweiten Weltkriegs lange Zeit in Vergessenheit.

Die Veranstaltung wird gefördert von der Sparkassen-Stiftung Holstein. Für diese sagte Kim Aileen Wolf: „Als wir den Förderantrag bekamen, war für uns klar, dass wir diese besondere Veranstaltung unterstützen wollen und unterstützen müssen!“

Roman Knižka wurde 1970 in Bautzen geboren, erlernte an der Dresdener Semperoper zunächst den Beruf des Theatertischlers und verließ die DDR noch vor dem Mauerfall über die Grüne Grenze. Nach seinem Studium an der Bochumer Schauspielschule, spielte er zunächst am dortigen Schauspielhaus und begann dann, sich einen Namen in TV-Dramen, Liebesfilmen, „Tatorten“ und diversen Kinoproduktionen zu machen. Daneben spricht er regelmäßig Hörbücher ein und ist mit großem Erfolg auf der Bühne aktiv. Seine markante, wandlungsfähige und einnehmende Stimme begeistert sowohl Kinder als auch Erwachsene. 

Pia Liebhäuser studierte am Mozarteum Salzburg bei Wilma Lipp und Martha Sharp. Sie nahm an zahlreichen Meisterkursen teil, unter anderem bei Thomas Hampson, Robert Holl, Mitsuko Shirai und Dunja Vejzovi und ist seit Juni 2000 Mitglied des Staatsopernchores Stuttgart. Die musikalischen Arrangements für Mezzosopran und Bläserquintett wurden exklusiv für dieses Programm von Prof. Dr. Matthias Hermann erstellt, Prorektor an der Musikhochschule Stuttgart, enger Vertrauter Helmut Lachenmanns und Experte auf dem Gebiet der Neuen Musik.

Das Bläserquintett OPUS 45 gründete sich bei einem Berliner Orchesterprojekt: Johannes Brahms’ „Ein deutsches Requiem“ (opus 45) stand auf dem Programm und ist seither namensgebend. Das Bläserquintett besteht aus Musiker*innen der Hamburgischen Staatsoper, Beethoven Orchester Bonn, Düsseldorfer- und Bochumer Symphoniker sowie der NDR Radiophilharmonie Hannover. 

So entstanden literarische Kammermusikabende, wie etwa das Programm zum NS-Widerstand („Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen!“) oder die szenische Lesung zu Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland, die das Ensemble mit dem Primo-Levi-Zitat „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen …“ betitelte. 

Datum und Zeit:        Do., 25. Januar 2024, 19.30 Uhr
Veranstaltung: „ICH WAND’RE DURCH THERESIENSTADT…“ – Eine musikalische Lesung
Ort: Kulturwerk am See
Eintrittspreis: 10 Euro, 12 Euro, 15 Euro plus Gebühren
Vorverkauf: TicketCorner Norderstedt oder online über Eventim