Bad Bramstedt (em) Er spiele häufig Online-Spiele und rauche manchmal THC, also Cannabis, erzählt ein 15-Jähriger Schüler dem Suchtberater. Das würden doch alle so machen. Er müsse sich doch mal entspannen und Spaß haben. Und nun solle ja Cannabis sowieso bald legalisiert werden. Zur Schule gehe der junge Mann. Das sei selbstverständlich. Die Noten seien gut. Kumpel habe er auch. Die würden auch manchmal nächtelang im Internet „daddeln“ und an den Wochenenden Joints rauchen. Seine Mutter sei wenig zu Hause. Sie arbeite viel und sei immer fleißig. Das müsse so sein, schließlich habe man ein schönes Einfamilienhaus und wolle dort wohnen bleiben. Wo denn das Problem liege, will er wissen.

Situationen wie diese erlebt der Pädagoge und Suchtberater Jens Sabisch (therapiehilfe e.v.)häufig. Zuvor war die Mutter bei ihm in der Beratungsstelle im Familienbüro Bad Bramstedt und hatte von ihren Problemen berichtet. Sie lebe getrennt, habe zwar einen neuen Partner, der viel arbeite und sich in die Erziehung jedoch nicht einbringe. Ihr Sohn besuche zwar die Schule und bringe gute Noten heim, lasse sich aber nichts mehr von ihr sagen. Seinen leiblichen Vater besuche der Sohn an den Wochenenden. Da stehe dann meistens Voll-Bespaßung an. Viele Regeln setze der geschiedene Partner nicht. Er sei eher der Kumpel-Typ. Auch von ihren Gefühlen berichtet die Mutter dem Suchtberater. Sie sei oft verzweifelt und hilflos. Und nach einiger Zeit traut sich die besorgte Mutter auch zu sagen, dass sie mittlerweile auch oft wütend sei. Und manchmal, da trinke sie dann eben auch ein paar Gläser Wein. Immer wenn sie das Gefühl habe, ihr Leben rutsche ihr aus den Händen.

Im Gespräch mit der Mutter wird deutlich, wie komplex und schwer zu durchschauen Konflikte in Familien sind und wie eng damit der Missbrauch von Suchtmitteln und Online-Angeboten verbunden ist. Schwer zu durchschauen sind die abhängigkeitserzeugenden Strukturen deshalb, weil alle Familienmitglieder sich an den problematischen Zustand gewöhnt haben und ihn als normal empfinden. Vorurteile und Ängste stecken in den meisten Menschen, wenn es darum geht, nach einer helfenden Hand zu greifen. Wer gibt schon gern zu, dass er sein Kind und sein Leben nicht im Griff hat? Schuld und vermeintliches Versagen als Elternteil spiele auch eine große Rolle, sagt Jens Sabisch. In der heutigen Zeit, wo sich alle selbst und ihren Alltag optimieren würden, komme es nicht gut an, wenn es in der Familie nicht stimme. Lange Zeit hatte die Mutter gezögert, den Schritt zu wagen und in die Suchtberatung zu gehen. Schließlich sei ja niemand in der Familie suchtkrank, meint die Mutter.

Die Hilfesuchenden haben manchmal falsche Erwartungen davon, was Suchtberatungsstellen leisten, sagt der Berater Jens Sabisch. Natürlich kommen Menschen mit einer diagnostizierten Suchterkrankung und erhalten Unterstützung, um dauerhaft abstinent zu leben. Jedoch missbrauchen viele Menschen meistens unbewusst Suchtmittel oder auch Internet-Angebote, um sich zu stabilisieren, von Konflikten abzulenken oder um einfach vom stressigen Alltag runterzukommen. Diese Klienten gilt es zu motivieren, möglichst früh Hilfen anzunehmen, um einer Suchterkrankung erst gar keine Chance zu geben. Frau Säverin (therapiehilfe e.v.), die Suchttherapeutin, und Herr Sabisch bieten mit Beratung, ambulanter Therapie, Nachsorge und Prävention viele Angebote für die Bad Bramstedter.

In der weiteren Beratung kann die Mutter des eingangs geschilderten 15-jährigen Schülers erkennen, dass sie in ihrer Familie immer die Hauptlast der Erziehung getragen hat. Damit war sie völlig überfordert. Aber statt das Problem zu thematisieren, ist sie noch mehr in die Arbeit geflüchtet und hat manchmal zu Alkohol gegriffen, um sich zu entlasten. Sie fühle sich nun endlich mal verstanden und nicht mehr allein mit ihrer Sorge, äußert die Mutter gegenüber dem Suchtberater.

Die Mutter sieht nun auch die Parallelen im Verhalten ihres Sohnes. Sie selbst könne nicht gut mit schlechten Gefühlen umgehen und auch ihr Sohn versuche mit THC oder Online-Spielen negative Gefühle zu kompensieren, sagt sie. Den Besuch in der Suchtberatung konnten Mutter und Sohn für sich nutzen, um zu erkennen, dass sie Suchtmittel benutzt haben, um sich zu stabilisieren. Sie erarbeiteten sich Wege, mit negativen Gefühlen umzugehen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, in eine Abhängigkeit von Cannabis, Alkohol oder Online-Spielen zu geraten.

Sucht bzw. Abhängigkeit stehen immer im Zusammenhang mit allen Familienmitgliedern und der Umwelt. Überspitzt formuliert bringt es langfristig meist wenig, wenn man statt zu trinken oder zu spielen einfach regelmäßig ins Fitnesscenter geht. Deshalb war es auch wichtig, dass die Eltern des Kindes weitere Unterstützung der Erziehungs- und Familienberatung (therapiehilfe e.v.), die ebenfalls im Familienbüro Bad Bramstedt zu finden ist, in Anspruch nahmen.

Ein weiter Weg, aber auf Dauer führt er die Menschen zu einem freieren und zufriedeneren Leben.