Henstedt-Ulzburg (em) „Da ist etwas. Wir sollten ihren Arzt anrufen.“ Als Susanne Meyer diesen Satz von ihrem Röntgenarzt hörte, gingen bei ihr „alle Signalleuchten an“. Es war eigentlich eine ganz normale Kontrolle. Einmal im Jahr ging die 51-Jährige zur Mammographie. So auch im Mai 2013. „Einen Tastbefund gab es nicht“, erzählt die Henstedt-Ulzburgerin. Doch bei der Mammographie wurde etwas in der linken Brust entdeckt. Der folgende Ultraschall bestätigte den Befund. „Ich wollte gleich wissen, wie groß der Knoten ist.“ Zwischen 2,5 und 3 Zentimeter, hieß es. Ein kleiner Knoten, der von einem Tag auf den anderen ihr Leben veränderte. Damit begann für die alleinerziehende Mutter der Kampf gegen den Krebs, der ein Jahr lang dauern sollte.
Susanne Meyer ist seit 2008 stellvertretende OP-Leitung in der Paracelsus-Klinik. Auch aus diesem Grund begab sie sich nach der Erstdiagnose in die Hände von Dr. Tobias Zeiser, Chefarzt der Gynäkologie und Leiter des „Mammazentrums Alsterquelle“ in der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg. „Dr. Zeiser machte noch am selben Tag eine Stanz-Biopsie“, erzählt Susanne Meyer. Drei Gewebeproben des Knotens entnahm der Gynäkologe, um sie zum Schnellschnitt in die Pathologie des Heidberg-Krankenhauses zu schicken. „Aber als Dr. Zeiser sich die Proben ansah, vermutete er schon, dass der Tumor bösartig ist.“ Gewissheit sollte Susanne Meyer aber erst einen Tag später erhalten. „An diesem Abend schwankte ich zwischen es wird alles gut gehen und ,es wird ganz schrecklich.“ Ihre damals noch 17-jährige Tochter musste außerdem beruhigt werden. Die Angst war allgegenwärtig. Das Ergebnis bekam die Krankenschwester am nächsten Tag während ihrer Schicht. Sie wurde zu Dr. Zeiser gerufen: Der Tumor war wie vermutet bösartig. „Ich habe erst mal wahnsinnig angefangen zu weinen.“ Dann ging alles sofort los, Zeit durfte nicht vergeudet werden. Hatte sie eben noch für das Wohl der Patienten gesorgt, war sie plötzlich selbst Patient in „ihrer“ Klinik.
Nur wenige Tage später erfolgte die erste Operation. Der Tumor wurde entfernt. Da der sogenannte Wächter-Lymphknoten befallen war, mussten zusätzlich 16 Lymphknoten entfernt werden. „Das war notwendig, da die Gefahr bestand, dass der Tumor über die Lymphbahnen gestreut hat“, erklärt Susanne Meyer. Der Tumor wurde eingeschickt, um festzustellen, ob noch genügend gesundes Gewebe vorhanden war. Von diesem Ergebnis hing es ab, ob Susanne Meyer ihre ganze Brust verliert. Aufgrund einer Nachblutung musste sie gleich noch einmal auf den OP-Tisch. „Ich ahnte danach, dass das nicht meine letzte OP war und fragte Dr. Zeiser nachmittags, ob meine Brust abgenommen werden muss“, erinnert sie sich. Er sagte, alles deute darauf hin. Und tatsächlich bestätigten sich die dunklen Gedanken der Patientin: Der Tumor war größer als angenommen und es gab nicht ausreichend gesundes Gewebe die Brust musste entfernt werden, was eine Woche später geschah. „Ich wollte zu diesem Zeitpunkt noch einen Brustaufbau und deshalb wurde genügend Haut übriggelassen. Das haben die Operateure wirklich gut gemacht.“ In der Klinik, die eigentlich ja ihr Arbeitsplatz ist, habe sie sich sehr gut aufgehoben gefühlt. „Alle haben sich toll um mich gekümmert und ich habe jeden Tag Besuch von Freunden, Familie und Kollegen bekommen, die mich in dieser schweren Zeit aufgefangen haben.“
Auch den Dienst der onkologischen Psychologin nahm sie in Anspruch. „Das hat mir sehr geholfen.“ Einen Brustaufbau hat Susanne Meyer bis heute nicht vornehmen lassen. „Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich einfach keine Schmerzen mehr haben wollte. Ich kann gut damit leben.“ Außerdem liebe sie ihren Beruf als OP-Schwester und möchte nicht noch einmal monatelang krankgeschrieben sein. Fünf Wochen nach der letzten OP begann dann die Chemotherapie. Sechs Zyklen wurden auf der Tumorkonferenz für die Patientin veranschlagt. Alle drei Wochen lief drei Stunden lang das Zytostatika über einen Portkatheter in ihre Venen. „Ich hatte schreckliche Angst vor der Chemotherapie, vor den ganzen Nebenwirkungen. Außerdem musste ich mich damit auseinandersetzen, alle meine Haare zu verlieren.“ Nicht nur das Kopfhaar, auch die Augenbrauen und die Wimpern fallen aus. Für Frauen eine starke zusätzliche Belastung. Aber Susanne Meyer ließ sich auch davon nicht unterkriegen und ging die Sache pragmatisch an. Schon vor der ersten Chemo ging sie zum Friseur und kaufte sich eine hübsche Perücke, die ihrer damaligen Frisur ähnelte. „Damit konnte ich mich arrangieren. Dann erkundigte ich mich, was man wegen der Augenbrauen tun kann. Ich habe mich auf alles so gut es geht vorbereitet.“
Denn Eines stand für die tapfere Krebspatientin fest: „Ich werde nicht rumlaufen wie eine Leiche!“ Trotz vorheriger Einnahme von Kortison und anderen Mitteln gegen Übelkeit ging es ihr schon während der ersten Chemotherapie schlecht. „Ich war sehr schlapp. Das war so ein allgemeines Unwohlsein“, beschreibt sie. Und es wurde nicht besser. Während der 18- wöchigen Therapie wurden immer wieder Teile ihres Körpers taub. Die Konzentration ließ nach, ebenso die Feinmotorik. An guten Schlaf war nicht zu denken. „Irgendwann habe ich auch meinen Geschmackssinn verloren.“ Während der Zyklen musste sie zudem Eishandschuhe tragen, um die Nervenenden an den Fingern zu schützen. Eiswürfel könne sie heute nicht einmal mehr sehen. „Die musste ich immer während der Infusion lutschen, gegen Pilzbefall im Mund.“ Und natürlich fielen ihr auch schon bald die Haare aus. „Als das losging, habe ich sie mir vom Friseur abrasieren lassen.“ Während der ganzen Zeit ist sie nie ungeschminkt und ohne Perücke rausgegangen. „Das war gut und wichtig für mein Selbstwertgefühl.“ Diese sehr starke Chemotherapie hat Susanne Meyers Körper sehr geschwächt. „Ich hätte mich jederzeit gegen die Chemo entscheiden können, aber ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass sich der Krebs doch noch irgendwo anders ausbreitet“, sagt sie. Nach der Chemotherapie gab es noch 30 Bestrahlungen. „Die waren nicht so schlimm, ich hatte keine Nebenwirkungen.“ Am 12. Dezember 2013 hatte sie alle Therapien überstanden. Eine mehrwöchige Kur folgte. Eine Homöopathin half ihr, das Gift aus dem Körper zu leiten, ebenso wie die Bowen-Therapie, eine abgeschwächte Form der Osteopathie. „Wichtig für meine Genesung war auch die innere Einstellung. Trotz aller Schmerzen und Unannehmlichkeiten habe ich immer positiv gedacht und an meine Heilung geglaubt. Meine Freunde sagen, dass ich während der Zeit immer ein Lächeln auf den Lippen hatte.“
Im März dieses Jahres, knapp ein Jahr nach der Schreckens-Diagnose, begann sie langsam wieder zu arbeiten. Die Einstellung zum Leben und zum Tod hat sich seit der Krebserkrankung für Susanne Meyer komplett verändert. „Ich habe in dieser Zeit mein Testament gemacht.“ Den Satz: „Genieße jeden Tag, denn es könnte dein letzter sein“, hat sie verinnerlicht und zu ihrem Lebensmotto gemacht. „Ich genieß mein Leben jetzt wirklich mehr. Ich bin ruhiger geworden und ärgere mich nicht mehr über alles“, erklärt sie. „Ich bin mir sicher, dass meine Krebserkrankung vom Stress ausgelöst wurde. Ich sehe das als Warnschuss. Man muss gut mit sich umgehen und auf sich aufpassen.“