Henstedt-Ulzburg (rj) Ist der Schritt der örtlichen Gemeindepolitiker, den zur Last gewordenen Bürgermeister Torsten Thormählen mittels einer Abwahl loszuwerden, der richtige? Nach der Einwohnerversammlung im August (wir berichteten online) kommen Zweifel auf.
Die Zuschrift von Ramona Bücker, Leiterin des VHS-Förderzentrums, drucken wir an dieser Stelle stellvertretend für die zahlreichen an-deren ab, die uns nach Veröffentlichung des Artikels in „Stadtmagazin aktuell“ erreichten. Alle eint eines: Die Abwahl wird unter nicht wenigen Henstedt-Ulzburgern kritisch gesehen. So war es auch schon bei der von der Gemeinde einberufenen Einwohnerversammlung über den bevorstehenden Urnengang am Sonntag, 22. September, zu vernehmen. Der Beschuldigte erhielt minutenlangen Applaus im voll besetzten Bürgerhaus. Damit haben die Fraktionen in der Gemeindevertretung nicht gerechnet.
„Unwahrheiten, Gerüchte & Unterstellungen“
Wohl auch nicht, dass er überhaupt auftauchen würde. Doch er kam. Und sprach. Über den Schock, dass die Gemeindevertretung ihm im Mai einstimmig das Vertrauen entzogen hat. „Die Begründung des Abwahlverfahrens mit der zu erwartenden langen Verfahrensdauer hätte ich noch verstanden. Der Entzug des Vertrauens kommt aber einer Vorverurteilung gleich“, sagte der suspendierte Bürgermeister in seiner Rede. „Außerdem sind in den letzten Monaten eine Menge Unwahrheiten, Gerüchte und bösartige Unterstellungen über meine Familie und mich verbreitet worden, an denen sich sogar Teile der örtliche Presse beteiligt haben. Ich weiß, dass dies teilweise auch gezielt gestreut und gesteuert worden ist mit der Absicht, mir persönlich zu schaden. Dass man damit aber nicht nur mir, sondern auch meiner Familie schadet, wurde billigend in Kauf genommen.“
Er betonte an dem Abend, dass für ihn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Gemeindevertretung nicht mehr möglich ist. Das sehen auch alle Fraktionen der Gemeindevertretung so. Sie erklärten übereinstimmend, selbst bei einem Scheitern der Abwahl an der Suspendierung festhalten zu wollen.
Politik zum Wohle der Gemeinde?
Hat die Wahl am 22. September überhaupt noch einen Wert, wenn die Ortspolitiker ohnehin nicht vorhaben, bei Landrätin Jutta Hartwieg um Wiedereinstellung des Bürgermeisters zu bitten? Werden die Bürger, die Thormählen für seine geleistete Arbeit in der Gemeinde schätzen, gar hinters Licht geführt?
Thormählen selbst wirbt nicht darum, gegen seine Abwahl zu stimmen. „Ich würde weiter zu Hause sitzen bis das Verfahren beendet ist, und das kann leider noch sehr lange dauern“, begründete er im Bürgerhaus. „Das bedeutet, dass der Job weiterhin von meinen Stellvertretern gemacht werden müsste. Und selbst wenn ich dann irgendwann an meinen Arbeitsplatz zurückkehren dürfte, so wäre das Verhältnis zur Gemeindevertretung zerrüttet.“
Fall Thormählen ist noch nicht beendet
Am 22. September ist Bundestagswahl, das Bürgervotum Gemeinde oder Stadt und die Entscheidung über die Frage: „Stimmen Sie für die Abwahl des Bürgermeisters Torsten Thormählen?“.
Das ist der aktuelle Stand im Fall des suspendierten Bürgermeisters: Der Vorwürfe der Bestechlichkeit und Untreue in einem besonders schweren Fall sind vom Tisch. Das Amtsgericht Norderstedt hat jedoch den von der Staatsanwaltschaft Kiel beantragten Strafbefehl erlassen: zehn Monate auf Bewährung, weil er seine Nebeneinkünfte nicht ordnungsgemäß angezeigt und abgeführt haben soll. Durch den Einspruch von Thormählen kommt es jetzt zur mündlichen Hauptverhandlung.
„Ich habe die Nebentätigkeiten bei der Stadt Norderstedt korrekt angezeigt. Die Anzeige wurde mir auch schriftlich bestätigt“, sagt er. Zu der Frage, ob die erzielten Einkünfte ablieferungspflichtig waren, liege ihm eine Expertise einer renommierten Anwaltskanzlei vor, „die eine Abführungspflicht in meinem Fall ausdrücklich verneint“. Auch die Gemeinde Henstedt-Ulzburg sei im Bilde gewesen. „Ich habe allerdings meine Beratertätigkeit nach meinem Dienstantritt als Bürgermeister von Henstedt-Ulzburg am 1. Juli 2010 nicht erneut angezeigt, weil ich bereits nach wenigen Wochen erkannt habe, dass ich diese Tätigkeit aus zeitlichen Gründen nicht mehr leisten kann und diese einvernehmlich zum 31. Dezember 2010 beendet.“
Auch der Vorwurf des Sozialversicherungsbetruges gehe für ihn ins Leere. Thormählen: „Das Arbeitsgericht Neumünster hat bereits vor über einem Jahr festgestellt, dass es sich bei dem Beratervertrag nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gehandelt hat.“
LESERMEINUNG ZUM FALL TORSTEN THORMÄHLEN
Die Doppelmoral in der Gemeindepolitik
Am 14. August nahm ich an der Einwohnerversammlung im Bürgerhaus teil. Zum Bürgerentscheid „Stadt oder Gemeinde“ legten alle Fraktionen ihre Standpunkte dar: Einige sind gegen, andere für die Stadtwerdung. Der einheitliche Tenor aller Fraktionen lautet aber: Wenn der Bürger für eine Stadtwerdung stimmt, werden alle selbstverständlich daran arbeiten, dies bestmöglich umzusetzen. Das ist Demokratie, wie ich sie mir vorstelle. Was ist aber im „Fall Thormählen“?
Bereits im Mai war ich als Zuschauerin der entscheidenden Gemeindevertretersitzung schockiert und fassungslos darüber, dass alle Gemeindevertreter, einzeln und namentlich befragt, das vernichtende Urteil „schuldig“ aussprachen. Zu diesem Zeitpunkt lag kein Urteil zu den Ermittlungen vor. Aber alle Gemeindevertreter sprachen ihr Misstrauen aus und beantragten das Abwahlverfahren, das sie mit diesem Misstrauen begründeten.
Formell mag das alles seine Richtigkeit haben. Aber was ist moralisch? Was bewegt Menschen dazu, einem anderen das Vertrauen dermaßen zu entziehen, obwohl keine Schuld bewiesen ist?
Am letzten Mittwoch erklärten alle Fraktionen erneut einvernehmlich, dass sie mit Herrn Thormählen nicht mehr zusammenarbeiten wollen, ja sogar im Falle einer Nicht-Abwahl!
Und an dieser Stelle frage ich: Wo bleibt hier die Demokratie? Warum wird sie hier mit Füßen getreten? Die Bürger, die in dem Fall der Nicht-Abwahl mehrheitlich entscheiden, dass sie Herrn Thormählen weiter vertrauen und ihn als Bürgermeister weiter im Amt haben möchten, werden einfach ignoriert? Genau die Bürger, die erst im Mai ihre Vertreter vertrauensvoll in die Gemeindeführung gewählt haben? Im Fall Thormählen ist es also egal, was der Bürger will und am 22. September entscheidet? Die Gemeindevertreter entscheiden dennoch gegen den Bürgerwillen und heben die Suspendierung auch im Fall der Nicht-Abwahl nicht auf.
In dem einen Fall (Stadtwerdung) so in dem anderen (Thormählen) so? Dieses Vorgehen finde ich persönlich absolut missachtend und respektlos gegenüber den Bürgern Henstedt-Ulzburgs. Auch hier darf nicht gegen den Bürgerwillen gehandelt werden!
Sollten die Bürger am 22. September für Thormählen stimmen, verlange ich von dieser von mir gewählten Gemeindevertretung, dass sie diesen Willen ernst nimmt. Damit würde dann auch verantwortungsvoll mit den Geldern unserer Gemeinde umgegangen. Durch ein Fortbestehen der Suspendierung entstehen ja erst die Kosten, die viele als „untragbar“ bezeichnen. Herr Thormählen würde weiter bezahlt, ein neuer Bürgermeister wird auch seine Bezüge bekommen.
Dass sich Herr Thormählen selbst eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dieser Gemeindevertretung, die ihn im Mai öffentlich vorverurteilte, die sich zudem öffentlich bekennt, im September bewusst gegen den Bürgerwillen zu handeln, sollte dieser nicht in deren Sinne sein, nicht mehr vorstellen kann, kann ich bestens nachvollziehen.
Darum erwarte ich im Falle einer Nicht-Abwahl durch die Bürger Henstedt-Ulzburgs von der Gemeindevertretung die sofortige und uneingeschränkte Anerkennung und Umsetzung des Bürgerwillens, die sofortige Aufhebung der Suspendierung Herrn Thormählens, eine öffentliche und eine persönliche Entschuldigung bei Herrn Thormählen und seiner Familie bzw. Rücktritt der Gemeindevertreter, die dazu nicht imstande sind, sowie eine Entschuldigung bei den Bürgern Henstedt-Ulzburgs für die am letzten Mittwoch ausgesprochene geplante Missachtung des Bürgerwillens im Falle einer Nicht-Abwahl.
Erst dann kann ich mich als Bürgerin hier wieder respektiert und wohl fühlen. Und ich bin überzeugt, auch Herr Thormählen wird unter diesen Bedingungen gern wieder unser Bürgermeister sein wollen.
Ich entschuldige mich bei ihm für die Unmoral der von mir gewählten Gemeindevertretung.
Ramona Bücker,
Henstedt-Ulzburg