Henstedt-Ulzburg (em) Vor 101 Jahren am 19. März 1911 wurde zum ersten Mal der Internationale Frauentag begangen. Die zentrale politische Forderung damals war das aktive und passive Wahlrecht für Frauen. Seit 1918 dürfen Frauen in Deutschland wählen, aber es dauerte eine ganze Weile, bis sie nicht mehr die Einwilligung ihres Ehemannes benötigten, um arbeiten gehen oder einen unabhängigen Wohnsitz begründen zu können. Erst mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957 und der Reform des Ehe- und Familienrechts 1977 änderte sich dies. Dazu brauchte es Jahrzehnte und eine engagierte Frauenbewegung.
Im Jahr 2012 schauen wir zurück auf wichtige Meilensteine zur Gleichberechtigung: gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen, Recht auf eigenständige Erwerbsarbeit, Abschaffung der Schuldfrage bei Scheidungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Dennoch ist festzustellen, dass sich in den vergangenen 100 Jahren die Art der Diskriminierung von Frauen verändert hat: Sie verdienen fast ein Drittel weniger für gleiche Arbeit, üben nur 10 Prozent aller Berufe aus, in Chefetagen sind sie selten vertreten und bei der außerfamiliären Kinderbetreuung sind wir das Schlusslicht in Europa.
Die EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, stellte unlängst fest: „Solange wir einen Frauentag feiern müssen, bedeutet dies, dass wir keine Gleichberechtigung haben. ... Das Ziel ist die Gleichberechtigung, damit wir solche Tage nicht mehr brauchen.“ Die Erkenntnis, dass wir noch immer keine geschlechtergerechte Gesellschaft haben, wird durch den Internationalen Frauentag ins öffentliche Bewusstsein genommen. Ein Anlass, die Forderung nach Chancengleichheit und gleichberechtigter Teilhabe zu bekräftigen aber wir wollen auch das feiern, was bisher erreicht wurde! Mit einem Abend von Frauen für Frauen und Männer veranstaltet die Gleichstellungsbeauftragte gemeinsam mit der Gemeindebücherei und -mediothek ein humorvolles Programm.
Das Duo Ladybirds präsentiert: „Lass mich deine Backen packen“ Erotische Lyrik und Musik am Donnerstag, 8. März, um 19.30 Uhr in den Räumen der Gemeindebibliothek Hamburger Str. 22 a.
Die beiden studierten Musikerinnen Heike Michaelis (Piano, Vibraphon, Akkordeon und Gesang) und Janina Hacker (Kontrabass, E-Bass) spinnen ihr Klangbild zu einem lustvollen Abend. Umwoben von wunderschönen Musikstücken wird erotische Lyrik von Robert Gernhardt, Heinrich Heine, Erich Kästner, Marie-Luise Kaschnitz, Else Laske-Schüler und Joachim Ringelnatz mit der Musik bekannter Jazznummern, populären Popsongs oder Klassikern wie „Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst“ rezitiert. Der Eintritt beträgt 8 Euro/erm. 5 Euro inklusive einem Glas Sekt zur Begrüßung und einem kleinen Imbiss in der Pause. Karten sind ab sofort in der Gemeindebücherei und im Rathaus (Büro der Gleichstellungsbeauftragten) erhältlich.
Neue Rubrik „Frau des Monats“
Anlässlich des Internationalen Frauentages wird auf der Homepage der Gleichstellungsbeauftragten unter der Rubrik „Aktuelles“ mit dem regelmäßigen Beitrag „Frau des Monats“ gestartet. Jeden Monat wird eine interessante Frau vorgestellt, die sich durch Engagement und Durchsetzungsvermögen ausgezeichnet, auch Widerständen getrotzt, sich ungewöhnliche Terrains erobert oder mit ihrer Lebensleistung für das Gemeinwohl eingesetzt hat. Vorgestellt werden Persönlichkeiten sowohl aus dem aktuellen Zeitgeschehen wie auch historische Zeitgenossinnen, die aus den verschiedensten Bereichen kommen: Dichterinnen, Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen, Frauenrechtlerinnen, ehrenamtlich tätige Frauen etc. Passend zum Auftakt des Internationalen Frauentages wird als erste „Frau des Monats“ vorgestellt: Thekla Lingen. Sie wurde in Goldingen in Kurland (im heutigen Lettland) geboren. Vierzehnjährig ging sie nach Petersburg, um sich als Schauspielerin auszubilden. Nach ihrer frühen Verheiratung gab sie ihre schauspielerische Tätigkeit auf und verkehrte in deutschen Kreisen der Petersburger Gesellschaft. Ihr erster Gedichtband, der 1898 in Berlin erschien, wurde stark beachtet und zwei Jahre später erneut aufgelegt. Kurz darauf gab sie noch eine zweite Lyriksammlung und einen Novellenband heraus. Dann verstummte sie als Schriftstellerin. Über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt. Sie starb 1931 in Eittenau im Irrenhaus. In den Gedichten Thekla Lingens kommt sehr stark der Wunsch nach Freiheit und die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben zum Ausdruck, den viele Frauen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verspürten. Es ist wichtig, an diese mutigen Frauen zu erinnern, die Grenzen zu überwinden hatten, die ihnen durch Tradition und Rollenbild auferlegt waren. Beispielhaft wird ein Auszug aus ihrem Gedicht „Hinaus“ zitiert: ... Dann halt' ich nicht still Und sag', was ich will, Dann winkt es so groß und schön! Dann folg' ich hinaus. Mit Singen und Saus, das Leben, das Leben zu sehn!“, Thekla Lingen (1866 bis 1931).