Kaltenkirchen (rj) Der ehemalige Chefermittler im Fall Barschel packt aus: „Ein Mord, der keiner sein durfte“, ist der Titel seines Buches. Am 26. März um 19.30 Uhr im Bürgerhaus wird Heinrich Wille daraus vorlesen. Es geht um den einstigen früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel, der 1987 im Genfer Hotel Beau Rivage Selbstmord beging oder umgebracht wurde.
Am 11. Oktober 1987 wurde der CDU-Politiker tot in einem Genfer Hotel aufgefunden einer der rätselhaftesten deutschen Kriminalfälle ist bis heute ungeklärt. Barschel hatte wegen eines Polit-Skandals, der „Barschel-Affäre“, wenige Tage zuvor zurücktreten müssen. Die Schweizer Behörden gingen von Anfang an von Selbstmord aus und ermittelten äußerst schlampig.
Erst 1994 nimmt eine deutsche Behörde das Ermittlungsverfahren wieder auf. Ausgerechnet der damalige Chefermittler, der Leitende Oberstaatsanwalt a.D. in Lübeck, packt jetzt aus: in einem Buch, das zu veröffentlichen ihm lange verboten worden war. Sein damaliger Vorgesetzter hatte Wille 2007 die Veröffentlichung seines Buches mit der Begründung untersagt, er würde damit dienstlich erworbenes Wissen privat vermarkten. Ein jahrelanger Rechtsstreit folgte. Erst nach Willes Pensionierung durfte es erscheinen. Für ihn ist es „Ein Mord, der keiner sein durfte“. Wille weist nach: Barschel stand mit dem Rücken zur Wand, wollte in einem Untersuchungsausschuss aussagen. Der gestürzte Politiker wollte unbedingt seinen Ruf wiederherstellen und nachweisen, dass er Opfer eines politischen Komplotts geworden sei.
Tatort-Fotos waren unbrauchbar
Dazu kam es nicht mehr, neun Tage nach seinem Rücktritt war er tot. Das berühmte Bild in der Badewanne längst ist es Sinnbild für die schmutzigen Geschäfte der Politik. Wille und sein Team nehmen erst sieben Jahre nach Barschels Tod die Arbeit auf um so bemerkenswerter, was sie noch alles herausfanden, obwohl die Unterlassungssünden der Schweizer Kollegen kurz nach der Tat kaum mehr gut zu machen waren und deren Tatort-Analyse damals denkbar schlecht war. So waren sämtliche Tatort-Fotos unbrauchbar, weder die Wassertemperatur der Wanne noch Barschels Körpertemperatur waren gemessen worden, so dass der Todeszeitpunkt nicht mehr zu bestimmen war. Akribisch rollt Wille den Fall noch einmal ganz von vorne auf, die Indizien für Mord häufen sich: So waren im Hotelzimmer keine Fingerabdrücke gefunden worden, nicht einmal von Barschel selbst. Hätte ein Selbstmörder vorher noch alles abgewischt? In den Telefonaten und seinen handschriftlichen Notizen kurz vor seinem Tod fand sich kein Hinweis auf Selbstmordabsichten. Nirgendwo Packungen der Medikamente, an denen er starb, und die Rotweinflasche, die er sich aufs Zimmer bestellt hatte, ist verschwunden. Im Abfalleimer lag ein leeres Whiskyfläschchen in Barschels Körper wurde aber kein Alkohol festgestellt. Auf dem Wannenvorleger ein Fußabdruck, der nicht von Barschel stammt.
Ein zur Seite geworfenes Handtuch zeigt Spuren bräunlicher Farbe, die sich in Laborversuchen schwer abwaschen ließ. Barschels Hände aber waren sauber. Wahrscheinlich hat ein Fremder versucht, sich mit dem Handtuch zu säubern. Ein abgerissener Hemdknopf und ein Hämatom an der Stirn weisen auf Gewaltanwendung hin. Alle vier Medikamente, die sich in Barschels Körper fanden, starke Betäubungsmittel, waren in der Schweiz schon seit zehn Jahren nicht mehr im Handel damit scheidet für Wille auch die These vom Selbstmord mit Hilfe eines Sterbehelfers aus. Für ihn steht fest: Barschel wurde zum Opfer eines professionellen Killer-Teams. Doch wer hat es beauftragt, welches Motiv gibt es, Barschel umzubringen? Für Wille liegen mögliche Motive im internationalen Waffenhandel und dem Handel mit Embargo-Gütern. War Barschel in die verbotene Lieferung von U-Boot-Bauplänen der Kieler HDW-Werft an das Apartheid-Regime in Südafrika verwikkelt? Wille ist sich sicher, dass Barschel als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins zumindest Kenntnis von diesen illegalen Geschäften hatte. Oder wusste er zuviel in der Iran-Contra-Affäre? Bei der verkauften die USA heimlich Waffen an den Iran während des Iran-Irak-Kriegs. Dieser Deal wurde nachweislich bei Treffen auf deutschem Boden ausgehandelt.
Je energischer Wille die Mordthese verfolgt, desto mehr Schwierigkeiten macht man ihm. Barschels Stasi-Akten ab 1985 sind verschwunden. Der Chefermittler darf sich zeitweise nicht mehr öffentlich äußern, Personal wird abgezogen, seine brisanten Ermittlungen im Waffenhändlermilieu der Presse zugespielt. Zeugen tauchen ab, Mitglieder des Ermittler- Teams erhalten Todesdrohungen. Wille präsentiert nun Auszüge seiner jahrelangen Ermittlungen am 26. März im Bürgerhaus, eingeladen wurde er vom Verein Ilex Kaltenkirchen. Der Eintritt für Mitglieder beträgt 4 Euro, sonstige Gäste zahlen 6 Euro.
Foto: Willes Schilderung der Ermittlungen ist eine von Widerständen, Behinderungen und gezielter Einmischung der Politik.