Kaltenkirchen (em) Wolfgang Ahlers-Hoops referierte beim Gesprächskreis Ilex e.V. im Bürgerhaus Kaltenkirchen zum Thema „Gefängnis Strafe oder kostenlose Unterkunft und Verpflegung“.

Andere Verwaltungsbehörden sind nur für einen Ausschnitt aus dem Leben der Menschen zuständig. Anders ist es im Gefängnis. Für eine gewisse Zeit verbringen die Insassen 24 Stunden/Tag und sieben Tage/Woche in der Anstalt. Es muss daher das ganze Leben organisiert und rechtlich geregelt werden. Deshalb ist das Strafvollzugsrecht auch so detailliert. Es enthält keine Regelungen über die Frage, wann und warum jemand aufgenommen bzw. entlassen wird. Darüber entscheiden die Gerichte nach den Strafgesetzen.

Entwicklung der Gefangenenzahlen
Die Gefangenenzahlen in Hamburg sind stark rückläufig. 2002 gab es in den Hamburger Anstalten etwa 3000 Insassen. Zurzeit sind es noch etwa 1700. Der Kriminologe Prof. Pfeiffer kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass das auf die Überalterung der Gesellschaft zurückgeht. Die meisten Straftäter sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Wenn der Anteil dieser Personen abnimmt, gibt es auch weniger Straftaten. Der Prozent-Anteil der ausländischen Gefangenen ist seit vielen Jahren relativ konstant: Er liegt bei etwa 40 Prozent.

Die Zahlen der übrigen Migranten (Spätaussiedler und Eingebürgerte) im Vollzug werden nicht statistisch erfasst. Ab 1977 galt das Bundes-Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hat das BVerfG entschieden, dass für den Jugendstrafvollzug bis zum Jahresende 2007 eine umfassende gesetzliche Regelung geschaffen werden müsse. Durch die seit dem 28. August 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform sind für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafvollzuges die Länder zuständig. Am 1. Januar 2008 ist das erste HmbStVollzG in Kraft getreten. Es regelte in einem Gesetz den Strafvollzug für Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen. Die meisten Bundesländer haben seinerzeit nur Jugendstrafvollzugsgesetze erlassen. Auf Betreiben des damaligen Hamburger Justizsenators wurde in diesem Gesetz u. a. als vorrangige Aufgabe des Vollzuges im Gegensatz zum Bundes-StVollzG der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten festgeschrieben. Im Jahre 2008 gab es bekanntlich einen neuen Justizsenator von einer anderen Partei. Auf sein Betreiben wurde das zweite HmbStVollzG darum geht es hauptsächlich in diesem Referat erlassen, in Kraft seit dem 1. September 2009. Gleichzeitig trat das gesonderte HmbJStVollzG in Kraft. Ca. 95 Prozent der Gefangenen verfügen über keine berufliche Qualifikation. Die Bildungsmaßnahmen umfassen auch Alphabetisierungskurse sowie Deutsch als Fremdsprache. Der Erwerb formaler Abschlüsse (Hauptschul- bzw. Realschulabschluss oder Gesellenbrief) ist nur für langstrafige Gefangene möglich. Die Ausbildung findet während der Arbeitszeit statt und wird auch wie Arbeit bezahlt. Die Vergütung wird nach der sogenannten Eckvergütung berechnet und ergibt eine Stundenvergütung von 1,62 Euro. Die konkrete Vergütung erfolgt nach Leistung und ist in einer Vergütungsordnung Monat = 229,95 Euro davon 3/7 = 98,55 Euro, kann zum Einkauf verwendet werden. Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung = 32,19 Euro/Monat).

Medizinische Behandlung:
Die medizinische Behandlung erfolgt durch angestellte Ärzte oder Honorarkräfte. Zuzahlungen sind regelmäßig bei Zahnersatz erforderlich, weil nur die doppelten Festzuschüsse nach dem SGB V geleistet werden. Dafür kann das Überbrückungsgeld freigegeben werden. Die Praxisgebühr sowie Zuzahlungen für Medikamente werden nicht erhoben.

Waffengebrauch:
In Vollzugsanstalten bleiben Schusswaffen und Reizstoffe (Pfefferspray) in der Regel unter Verschluss, werden also nicht an der Frau/am Mann getragen. Kein Schusswaffengebrauch zur Verhinderung der Flucht bei Gefangenen: des offenen Vollzuges, A-Haft-Gefangenen, jungen Gefangenen. Die Hausordnung darf nur Regelungen enthalten/konkretisieren, die anderweitig gesetzlich geregelt sind. Das Beschwerderecht wird von einigen Gefangenen häufig genutzt. Beschwerden, die nicht den Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation entsprechen oder bloße Wiederholungen enthalten, brauchen nicht beschieden zu werden.

Spezifische Regelung der Schweigepflicht von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern:
Befugnis bzw. Verpflichtung zur Offenbarung solcher Daten, soweit das für die Aufgabenerfüllung unerlässlich oder zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist (z. B. Übertragung gefährlicher Krankheiten). Grundsätzlich keine Akteneinsicht für Betroffene stattdessen Recht auf Auskunft.

Die „Moral von der Geschichte“:
Wozu diese aufwändige Veranstaltung Strafvollzug, die umfangreiche Steuermittel bindet?

Vollzugsziele: Werden Gefangene durch den Vollzug resozialisiert, dient das dem Schutz der Allgemeinheit, da diese Personen keine Straftaten mehr begehen. Leider sind die Rückfallquoten nicht befriedigend 56 Prozent bei Tätern mit Freiheitsstrafe (bei Jugendstrafgefangenen sogar 77,8 Prozent). Allerdings müssen in Hamburg nur ca. 5 Prozent aller Straftäter eine Freiheitsstrafe verbüßen. Insgesamt liegt die Rückfallquote bei allen Straftätern bei 35 Prozent in einem Zeitraum von vier Jahren. Kritiker meinen, die Freiheitsentziehung als solche sei resozialisierungsfeindlich. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass auch die Insassen der Gefängnisse Teile der Gesellschaft sind und Kriminalität zumindest auch gesellschaftliche Ursachen hat.

Vollzugsgrundsätze:
Angleichungsgrundsatz Angleichung des Lebens im Vollzug an allgemeine Lebensverhältnisse in Freiheit (Eigenverantwortung, Hilfe zur Selbsthilfe) Gegensteuerungsgrundsatz schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenwirken (Bildung von Subkulturen, Einsamkeit, fehlende Eigeninitiative).

Eingliederungsgrundsatz: Ausrichtung des Vollzuges, dass der Gefangene sich in das Leben in Freiheit eingliedern kann (Bekämpfung von Drogensucht, Gewaltbereitschaft). Sicherheit und Ordnung der Anstalt und Belange der Allgemeinheit in zahlreichen Vorschriften wichtige Kriterien für die Versagung von Vergünstigungen.

Behandlung:
Die Maßnahmen haben das Ziel, Eigenverantwortung, Hilfe zur Selbsthilfe zu stärken und Bildung von Subkulturen, Einsamkeit, fehlende Eigeninitiative sowie Drogensucht und Gewaltbereitschaft zu bekämpfen. Tataufarbeitung soll die Einsicht in die Folgen der Tat, vor allem für die Opfer, fördern.

Mitwirkung: Die Gefangenen sollen sich auf die genannten Maßnahmen einlassen und aktiv teilnehmen. Dafür kann es Belohnungen (z. B. mehr Lockerungen) geben. In der anschließenden Diskussion wurde noch mal klar, dass der überwiegende Teil der Zuhörer unsere Gefängnisse als zu human empfindet. Herr Ahlers-Hoops hat die These wiederlegt, dass dies zu mehr Kriminalität führt. Er sagt: „In Amerika gibt es viel schnellere und härtere (Todesstrafe) Strafen und trotzdem ist die Kriminalitätsrate in Amerika um ein Vielfaches höher.“