Neumünster (SvB) Es liest sich wie in einem guten Krimi. Und es ist auch einer! Seit Tagen drehen sich die Gespräche von Politik und Wirtschaft hinter vorgehaltener Hand ausschließlich um ein Thema: die anonymen Briefe, die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, Korruptionsvorwürfe, die Beschuldigung über den Verstoß gegen die Vergaberichtlinien und last but not least, der Vorwurf der Vetternwirtschaft, der die Wirtschaftsagentur Neumünster in Person ihres Geschäftsführers Guido Schwartze schwer belastet.
DER AKTUELLE SACHSTAND
Die Vorstellung des Stadt-Logos
Das neue Stadt-Logo, das von der Wirtschaftsagentur entwickelt wurde, um Vereinen, Verbänden, und Neumünsteraner Unternehmen die Möglichkeit zu geben mit einem gemeinsamen Logo ihre Verbundenheit zur Stadt Neumünster zu dokumentieren, wurde Anfang Juli vorgestellt.
Bereits bei der offiziellen Präsentation des neuen Stadt-Claims „Vielfach Neumünster“, bei der ohnehin nur ausgewählte Pressevertreter von der Wirtschaftsagentur eingeladen worden waren, gab es die ersten unangenehmen Nachfragen: Wurden die Markenrechte für das Magazin „Vielfach Neumünster“ ordnungsgemäß nach Vergaberecht ausgeschrieben? Ist es richtig, dass die Werbeagentur „Wiener Kontor“ die Rechte an der Marke bereits mehrere Monate vor der offiziellen Bekanntgabe des Claims erhielt? Stimmt es, dass der Anzeigenvertreter Timm S., der für die Firma Wiener Kontor tätig ist, ein Schwimmfreund des Geschäftsführers Guido Schwartze ist?
Die anonymen Briefe
Die Werbeagentur „Wiener Kontor“ soll einen anonymen Brief erhalten haben, in dem ihr vorgeworfen wird, dass sie die Markenrechte für die Publikation „Vielfach Neumünster“ nur durch Korruption erhalten haben soll. Ebenfalls soll auf das besonders enge Verhältnis zwischen Guido Schwartze und seinem Schwimmfreund Timm S. hingewiesen worden sein, der als Anzeigenverkäufer für die Werbeagentur Wiener Kontor tätig ist. Weiterhin soll in diesem anonymen Brief angekündigt worden sein, dass der Inhalt an Neumünsteraner Unternehmen und die Lokalpolitik weitergeleitet werden soll. Dies ist offensichtlich auch passiert, denn mehrere Fraktionen haben in der vergangenen Woche ähnliche Briefe erhalten. Die Werbeagentur „Wiener Kontor“ soll daraufhin eine Anzeige wegen „Bedrohung“ gestellt haben.
Derzeit sicherlich nicht zu erhärten, ist der in den anonymen Briefen ausgesprochene Vorwurf der Korruption, denn dies würde bedeuten, dass Personen, die an der Rechtevergabe beteiligt waren, persönlich zum Beispiel Geldmittel erhalten haben. Hierfür gibt es jedoch derzeit keinerlei Beleg.
Diffiziler wird jedoch der ebenfalls im Raum stehende Vorwurf der Vorteilsnahme im Hinblick auf den Versuch, die Verbreitung der „eigenen Meinung in der persönlichen Hauszeitung“ gegen Überlassung des offiziellen Logos zu erreichen. Zumindest dieser Vorwurf wird von den Aufsichtsgremien der Wirtschaftsagentur wohl intensiv zu beleuchten sein! Ebenfalls unterschwellig vorgeworfen wird der Verdacht der Vetternwirtschaft! Bereits rund ein halbes Jahr vor der öffentlichen Präsentation des Logos sollte mit der Planung und Akquise für das Magazin „Vielfach Neumünster“ begonnen worden sein. Dies soll möglich gemacht worden sein, durch die enge Beziehung zwischen dem Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Guido Schwartze und dem Anzeigenverkäufer der Werbeagentur „Wiener Kontor“, die das gemeinsame Hobby Schwimmen eint. Bestätigt werden kann dieser Punkt durch diverse Neumünsteraner Unternehmen, die bereits im Frühjahr von Timm S. auf das neue Magazin angesprochen wurden.
Auch eine Frage des Demokratieempfindens wird in diesem Umfeld von den beteiligten Lokalpolitikern angemahnt. Ist es überhaupt statthaft, dass sich eine Stadt durch die ausschreibungsfreie Vergabe, quasi die Nähe zu der eigenen Redaktion und Meinungsverbreitung organisiert? Zweifel dürfen auch hier erlaubt sein.
Das Magazin „Vielfach Neumünster“
Veröffentlicht wurde annähernd zeitgleich mit der Präsentation des neuen Stadt-Claims auch das Magazin „Vielfach Neumünster“, das von der Hamburger Werbeagentur „Wiener Kontor“ herausgegeben wird. Auf der Homepage ist auch gleich ein Bild von dem zufrieden lächelnden Guido Schwartze zu sehen.
Die Vergabe der Markenrechte
Die Vergabe der Markenrechte an der Nutzung des Titels „Vielfach Neumünster“ wurde von dem Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur offensichtlich ohne jegliche Ausschreibung, unter Umgehung der Vergaberichtlinien an die Werbeagentur „Wiener Kontor“ vergeben. Rechtlich ist dies nicht zulässig und ein klarer Verstoß gegen die Vergaberichtlinien der Stadt. Ob die Markenrechte, wie in den anonymen Briefen angeschuldigt, auf dem kleinen Dienstweg unter Sportfreunden vergeben wurden, wird sicherlich in der für den 19. August angesetzten Aufsichtsratssitzung zu klären sein. Sollte dies so sein, würden bei dieser Aushebelung der freien Marktflüsse neben den nicht berücksichtigten Mitbewerbern auch die Stadt Neumünster erhebliche Einbußen erleiden, da die Lizenzgebühr nicht annähernd die möglichen Millioneneinnahmen einer florierenden Zeitung abbilden dürften.
Die Website www.vielfach-neumünster.de
Fast schon unglaublich: wer online „Vielfach Neumünster“ bei Google sucht, findet auf Platz eins der Ergebnisse sofort die Domain www.vielfach-neumünster.de. Diese verweist jedoch nicht auf die Stadt Neumünster, und auch nicht auf die Wirtschaftsagentur, die mit der Rechtevergabe dieses Logos beauftragt wurde, sondern direkt auf die Internetseite der Werbeagentur „Wiener Kontor“. Hier hat man sich also offensichtlich sogar im Internet in Persona von Guido Schwartze die Rechte am eigenen Logo abschnacken lassen. Nutzer des neuen Neumünster-Logos würden also direkt auf ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht weitergeleitet werden. Ein Konstrukt, das in Deutschland so sicherlich seinesgleichen sucht.
Erst am 1.August 2013, wurden bei der Denic, der deutschen Vergabestelle für Internetseiten, Veränderungen bei den Domänendaten durchgeführt. Besitzerin der Internetrechte am Neumünster-Logo ist nun Ilona L., ihres Zeichens Verlagsleiterin der Firma WK Wiener Kontor Marketing & Verlag GmbH. Fast schon süffisant muss in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, welche Abstandszahlungen oder Lizenzgebühren Wirtschaftsagentur oder Stadt wohl entrichten müssen, wenn Sie die Onlinerechte an der Domain von der Werbeagentur zurückerwerben möchten. Sollte dies geschehen sein, könnte man sich als nächste Baustelle das Medium Facebook vornehmen. Sucht man auch hier nach „Vielfach Neumünster“, wird man ebenfalls sofort mit dem Haupttreffer bei der Suche auf die Seiten der Werbeagentur verwiesen.
PLEITEN, PECH UND PANNEN
Erst hatte er kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu .... Getreu dieser alten Fußballer Weisheit kann dem 47-jährigen Schwartze während seiner gesamten Amtszeit, die 2010 begann, wenig Fortune und leider noch weniger Fingerspitzengefühl nachgesagt werden.
Bereits bei dem von Schwartze erarbeiteten Tourismuskonzept, kam es mit Vertretern aus Politik und Selbstverwaltung zu lautstarken Auseinandersetzungen.
Als die Lokalpolitiker Nachfragen und Bedenken zu Schwartzes Ideen anmeldeten, wurden die Bürgervertreter von Schwartze dermaßen abgekanzelt, dass die Politik daraufhin die Umsetzung verweigerte und die Einstellung einer Tourismusfachkraft zur Erstellung eines neuen Konzeptes einleitete. Auch der ehemalige Stadtpräsident Hatto Klamt musste ähnliche Umgangsformen erleiden, als er sich erlaubte, bei dem Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur zum Thema Hochschulbildung für die Stadt Neumünster Nachfragen zu stellen.
Selbst bei der Hauptaufgabe Schwartzes, der Vermietung des LOG-IN Neumünster, dem Logistik- und Innovationszentrum der Stadt, konnte der Geschäftsführer keine Erfolge erzielen. Von einer Vollbelegung durch Mieter ist die Gewerbeimmobilie der Stadt auch im dritten Jahr von Schwartzes Amtszeit weit entfernt.
Auch in Sachen Erstellung des neuen Stadt Logos hatte Schwartze wenig Glück. Bereits wenige Tage nach der Vorstellung des Logos, wurde bekannt, dass es erhebliche Übereinstimmungen mit dem Wappen der Gemeinde Skarsterlan gab. Noch ärgerlicher, das von Schwartzes Wirtschaftsagentur organisierte Ausschreibungsverfahren wurde von den Fraktionen der Ratsversammlung heftig kritisiert, da die Kosten mit 50.000 Euro als deutlich überhöht empfunden wurden. Die Politik rettete sich in ein gequältes Lächeln. Ex-SPD Fraktionschef Andreas Hering damals: „Da man schon das gleiche Logo hätte, würde sich sicher eine Städtepartnerschaft mit der holländischen Gemeinde anbieten .“ Den Haushaltsexperten der Fraktionen, die bei angespannter Finanzlage in allen Bereichen Einsparungen vornehmen müssen, schmerzte das Herz, wie ein Lokalpolitiker gestand,. „50.000 Euro für eine „WC-Ente “, da hätten wir auch den besten Vorschlag aus einem Neumünsteraner Kindergarten nehmen können!“
Vorgeworfen wurde Schwartze auch in diesem Zusammenhang immer wieder vor allem seine wenig kommunikative Ader. Ein Lokalpolitiker: „Sollte eine Wirtschaftsagentur nicht Türen öffnen statt Türen schließen?“ Und auch aus dem Unternehmerkreis ist zu hören: „Du brauchst nur zu sagen, dass die Wirtschaftsagentur bei einem Projekt nicht dabei ist und jeder will mitmachen!“
DIE FOLGEN
Sollten sich die Vorwürfe der Umgehung der Vergaberichtlinien und der Vetternwirtschaft erhärten, könnten auf die Wirtschaftsagentur und somit auf die Stadt Neumünster als Anteilseigner möglicherweise erhebliche Schadensersatzklagen zukommen. Theoretisch könnte jeder Verlag und jede Werbeagentur aus der Region entgangene Gewinne durch die nicht durchgeführte Ausschreibung einklagen. Und diese Summen sind nicht unerheblich! Bei einer durchschnittlichen Umsatzsumme des Magazins von rund 300.000 Euro jährlich, kommt im Laufe der Jahre eine Millionensumme zusammen, auf deren Basis sich Schadensersatzansprüche errechnen. Sollte so eine Klage erfolgreich sein, ist der Geschädigte am Ende der Steuerzahler, da die Gesellschafter der
Wirtschaftsagentur Neumünster zu 55 Prozent die Stadt Neumünster und zusätzlich zu 9 Prozent die Stadtwerke Neumünster (ebenfalls ein Tochterbetrieb der Stadt) sind.
Säuft mit Freistilschwimmer Schwartze auch die Stadtmarke „Vielfach Neumünster“ ab?
Selbst für den Fall, dass die Stadt die Markenrechte an dem Printmedium und den Onlineseiten zurückerhält, stellt sich die Frage, ob eine unbelastete Nutzung des Logos überhaupt noch möglich ist. In Unternehmerkreisen kursiert bereits die Benennung des Logos als „Einfältig Neumünster“. Diese Lachnummer wieder aus den Köpfen der Beteiligten zu löschen erscheint kompliziert.
Von Flut zu Ebbe
In Mitleidenschaft gezogen durch die aktuelle Entwicklung ist offensichtlich auch das Team der Wirtschaftsagentur, das noch unter der Leitung des heutigen Oberbürgermeisters Dr. Olaf Tauras regelmäßig mit Höchstleistungen für die Stadt glänzte. In dieser Zeit wurden diverse Leuchtturmprojekte (DOC, ECE, Innenstadtentwickung ) angestoßen, von denen die Stadt heute noch zehrt. Dass diesen Leuchtturmprojekten dann unter der Führung Schwartzes eher ein Zeitalter stetiger Ebbe folgte ist mit dem Begriff Wirtschafts-„entwicklung“ kaum noch überein zu bringen.
Verwicklung statt Entwicklung
Zusammenfassend bleiben mehr Fragen als Antworten, mehr Chaos statt Zukunftsentwicklung. Darf das stadtnahe Magazin „Vielfach Neumünster“ trotz des nicht ausgeschriebenen und somit wohl zu Unrecht erhaltenen Markennamens weiter veröffentlicht werden? Klagen benachteiligte Werbeagenturen und Verlage? Darf die Stadt einen Verlag überhaupt durch Markenvergabe unterstützen und sich so dem Vorwurf aussetzen, sich eine eigene Hofberichterstattung zu erkaufen? Ist die Marke „Vielfach Neumünster“ schon so beschädigt oder gar verbrannt, dass sie noch weiter benutzt werden kann? Kann die Stadt die Rechte an der Internetseite von der Werbeagentur zurückerwerben? Und nicht zuletzt: Leistet sich die Stadt Neumünster in seiner Wirtschaftsagentur weiter einen Geschäftsführer, der offensichtlich intuitiv den nächst möglichen Fettnapf ansteuert und Kommunikation für eine Art Zweikampftechnik hält?
Während hinter den Kulissen fieberhaft an einer Problemlösung gearbeitet wird, bemüht sich der ehemalige Unternehmensberater um persönliche Nähe zu denen, die schon in Kürze über sein berufliches Schicksal entscheiden könnten. So war Schwartze sichtlich bemüht am Freitag beim Sommerfest der CDU Überzeugungsarbeit für sich zu leisten. Ob dies anhand der Faktenlage noch ausreichend sein wird, wird sich wohl schon in der kommenden Woche bei der turnusgemäßen Aufsichtsratssitzung der Wirtschaftsagentur am 19. August entscheiden. Hier zeigt sich, ob die Kontrolleure ebenfalls Sympathie für die Abkürzungen des Geschäftsführers haben, oder auf einen unbelasteten Neuanfang setzen.