Neumünster (em) Das bunt gemusterte bodenlange Kleid, die kunstvolle Frisur Solange Yumba wa Nkulu ist eine exotische Besucherin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster. Die Pastorin der Evangelisch Lutherischen Kirche in der Demokratischen Republik Kongo bereist den Kirchenkreis Altholstein und hat am Montag ein deutsches Gefängnis besichtigt.

Eigentlich kennt sie sich in Haftanstalten gut aus, zumindest in einer: Zu Hause im Kongo besucht Solange Yumba wa Nkulu jede Woche das Gefängnis in Lubumbashi und hält dort Gottesdienst. Der Kulturschock in Neumünster ist vorprogrammiert. „Es ist schon sehr, sehr anders in diesem Gefängnis“, erklärt sie und deutet auf Bett, Schrank und Fernseher in der Einzelzelle. In Lubumbashi schlafen die Männer auf dem Fußboden, 100 Mann in großen Baracken, ohne Möbel, nur für die wenigen Frauen wurden Matratzen angeschafft und das auch erst vor kurzem.

Die Leiterin der JVA Neumünster, Yvonne Radetzki, führt die Pastorin und die anderen Gäste durch den Besucherraum und die Flure. Dabei berichtet sie ihrem Gast von den Ausbildungen, welche Gefangene in Neumünster machen können, zum Beispiel als Tischler oder Koch. Pastorin Solange ist als Frauenbeauftragte ihrer Kirche öfter in der Welt unterwegs, sie bemerkt immer wieder auch nicht materielle Unterschiede: Während die Besucher bei ihrem Rundgang durch die JVA Neumünster aus Sicherheitsgründen keinem Häftling begegnen, hat die 50-Jährige im Kongo direkten Kontakt. Angst hat sie dabei nicht: „Die Gefangenen freuen sich so sehr, wenn wir kommen, sie möchten unseren Segen“, beschreibt sie strahlend. „Sie beten mit uns und wenn sie im Gottesdienst singen, ist das fast ein bisschen wie im Paradies.“

Im Kongo versorgt der Staat die Sträflinge nicht ausreichend mit Essen. Deshalb kocht die Pastorin mit ihren Frauen im sogenannten Kasapa-Projekt einmal die Woche eine warme Mahlzeit aus Mais, Bohnen und Zwiebeln für sie. Der Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein und der Kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche finanzieren dieses Projekt mit jeweils 5.500 Euro im Jahr. Die Kasapa-Gruppe verteilt derzeit ungefähr 1.000 Portionen wöchentlich, das sind 300 mehr als früher, erzählt die Pastorin: „Der Bürgerkrieg schwemmt Menschen in die Stadt, die gar nichts haben und dann stehlen.“ Sie bestaunt die JVA-Küche in Neumünster mit ihren Stahlkesseln und erzählt, wie sie mühsam die Bohnen zwei Tage vorher aufs Feuer setzen müssen, damit sie weich werden. Das Essen direkt im Gefängnis kochen zu können ein Traum. Denn schon der Transport verschlingt eine Menge Geld, die Kosten dafür haben sich in einem Jahr verdoppelt, weil die Inflation im bürgerkriegsgeschüttelten Kongo sehr hoch ist.

Deshalb hat Pastorin eine Vision mit nach Altholstein gebracht: „Unsere deutschen Freunde fragen uns immer, wovon wir träumen. Wir wünschen uns ein kleines Café oder Guesthouse am Gefängnis, in dem die Frauen arbeiten und finanziell unabhängig werden.“ Eigentlich sollten vier weitere Frauen aus dem Kasapa-Projekt Altholstein besuchen, sie haben jedoch kein Visum bekommen. „Das ist immer schwierig für Frauen, weil sie oft keine bezahlte Arbeit nachweisen können“, bedauert Silke Leng von der Ökumenischen Arbeitsstelle Altholstein. Bei ihr ist Solange Yumba wa Nkulu zu Gast. Gemeinsam werden sie in den nächsten Tagen noch viele deutsche Freunde und Gruppen treffen, über Frieden und die Partnerschaftsarbeit sprechen. Und wer weiß, vielleicht finden sich ja auch Sponsoren für ein kleines Café in Lubumbashi.

Foto: Einzeltüren statt Baracken: (von links) Yvonne Radetzki, Silke Leng, Solange Yumba wa Nkulu, Ina Koppelin