Neumünster (em) Am 24. November um 15 Uhr eröffnet die Arthur Boskamp-Stiftung M.1 das Förderpreisausstellung der diesjährigen Gewinner Natalie Häusler und Philip Gaißer.

Seit 2007 vergibt die Arthur Boskamp-Stiftung jedes Jahr zwei Förderpreise, die mit je 2000 Euro dotiert sind, an Künstler/-innen, die in Norddeutschland (Schleswig Holstein, Hamburg, Mecklenburg- Vorpommern, Bremen und Niedersachsen) geboren oder wohnhaft sind oder ihren Hochschulabschluss in dieser Region erworben haben. Die Förderpreise werden für die Entwicklung von neuen künstlerischen Arbeiten vergeben, die jeweils am Ende des Jahres im Ausstellungshaus der Stiftung, dem M.1, gezeigt werden. Zu den Ausstellungen erscheinen Publikationen. Ausgeschrieben waren die Förderpreise 2013 zum Thema „Realismus“. Die Jury bestand aus: Dr. Ulrike Boskamp, Annette Hans, Till Krause und Janneke de Vries.

Natalie Häusler - „Impressionnisme“
Farbig bemalte Holzjalousien filtern im stark durchfensterten Ausstellungsraum des M.1 Licht und Geschehen des Außenraums. Durch die Fenster verdeckende, weiß bespannte Keilrahmen bildet sich das Außen ab. Im Tageslauf verändert sich der Ausstellungsraum wie die Soundcollage aus Innen- und Außenaufnahmen, Gesprächen und dem Prosagedicht „Impressionnisme“ von Natalie Häusler. Der Sound verteilt sich im gesamten Ausstellungsraum wie die kleinformatigen Holzschnitte. Ausschnitte von Wahrnehmung, ein Lidschlag, 300 Millisekunden, eine Sekunde, eine Minute, eine Stunde, oder ein ganzer Ausstellungstag. Unabhängig von der Dauer geschieht die Wahrnehmung sukzessiv und ohne reproduziert werden zu können. Sie prägt das Wechselspiel von Beobachtung und Reaktion in Verbindung mit Wunsch, Vorstellung und Faktizität.

Das Prosagedicht, die 24 Malereien mit Holzschnitt eine für jede Stunde des Tages, 16 am Tag, 8 in der Nacht und die Tonaufnahmen sind während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Paris entstanden. Natalie Häusler hat impressionistische Wahrnehmungs- und Darstellungstechniken lose appropriiert, um die einzelnen Elemente der Ausstellung zu entwickeln. Sie sind eine Analyse dessen, was verlebte Zeit an faktischem Inhalt und Material enthält. Natalie Häusler arbeitet seit einigen Jahren simultan an visuellen Elementen und Texten, die Mischformen zwischen Essay, Aphorismus und Lyrik sind. Beide beeinflussen sich seither wechselseitig, und es entstehen Environments aus u.a. Aquarellen, Tonaufnahmen, Readymade- Komponenten, verschiedenen Drucktechniken und organischen Materialien wie Obst und Flüssigkeiten. Ihre Installationen durchlaufen oftmals einen Prozess der Veränderung, vorangetrieben durch die Betrachter_innen und die materiellen Eigenheiten der Arbeit.

Philip Gaißer - „The Ground is Mine the Sky is Yours“
Dunkelgraue Felswände, mit statischer Kamera aufgenommen; nach einer Weile fliegen Molotow- Cocktails ins Bild und zerschellen an der Felswand. Sie brennen und verschwinden, ohne nennenswerte Spuren zu hinterlassen. Ihr plötzliches Auftauchen unterbricht auf der Tonebene das Vogelgezwitscher, dem es nach dem Ausbrennen wieder Platz macht. Der Angriff macht Kamera und Perspektive offenbar: Die Molotow-Cocktails fliegen in klassischer Perspektivkonstruktion von rechts und links ins Bild. Die Ausstellung von Philip Gaißer kreist in weiten Teilen um Fotografie selbst, verschiedene Zeitlichkeiten und Momentaufnahmen, um aus dem Augenblick und der Realität enthobene Bilder. Um eine Distanz zwischen Kamera und Stein, Molotow-Cocktail und Unberührbarkeit, dem Geräusch der fliegenden Sputnik und seiner Visualisierung, dem Nachthimmel und seiner fotografischen Aufzeichnung und um Fixpunkte. Über Querverweise und eine als Quasi-Reiseführer fungierende Publikation entsteht zwischen den Arbeiten eine lesbare Ordnung, die sich über narrative Stringenz und zeitliche Linearität hinwegsetzt.

Philip Gaißer arbeitet häufig im Medium der Fotografie. Er blitzt gerne, auch bei Tageslicht, und enthebt die Dinge ihrer Bedingungen, um andere zu schaffen. In seinen Ausstellungen stellt er Verbindungen her, wo zuvor keine waren - oder die in Vergangenheit und Zukunft liegen und sich entsprechend nicht ohne Weiteres berühren. Orientierung ist Real-Fiktion, Bewegung eines vermeintlichen Stillstandes und vermeintlicher Stillstand einer Bewegung. Die Arbeiten respektive Ausstellungen von Natalie Häusler und Philip Gaißer lassen Realität als aufblitzend in einer Zeitlichkeit und als kontinuierliche Aufgabe erscheinen. Häuslers malerisch installative und Gaißers fotografische Praxis setzen sich mit Material und medialen Fragestellungen auseinander. Sie verschränken unterschiedliche Komponenten zu polyphonen Erzählungen aus Sound, Text und Bild, denen „Realismus“ als Frage von Wahrnehmung, Verhandlung und Einflussnahme zugrunde liegt.