Norderstedt (em) Im Allgemeinen ist bekannt, dass man eine angefallene Erbschaft ausschlagen kann, wenn man nicht Erbe sein will, zum Beispiel weil der Nachlass überschuldet ist. Des Weiteren geht man zumeist davon aus, dass derjenige, der ausschlägt, auch nichts aus dem Nachlass bekommt. Aber: Das ist nicht immer so!

Folgendes Beispiel: Erblasser E ist geschieden und hat aus der ersten Ehe seinen alleinigen Sohn S. Seit Jahren lebt er mit seiner Lebensgefährtin F zusammen. In seinem Testament setzt er den S zu seinem Erben ein, möchte aber die F wenigstens absichern, in dem er ihr im Wege eines sogenannten Vermächtnisses ein Wohnungsrecht an seiner Immobilie bis zu seinem Tod einräumt. Der E stirbt und hinterlässt lediglich die besagte, in die Jahre gekommene Immobilie. Von seiner Erbschaft ist der S wenig begeistert. Er erbt eine alte Immobilie und in dieser Immobilie muss er dann auch noch die Lebensgefährtin seines verstorbenen Vaters, nämlich die F, bis zu deren Lebensende wohnen lassen.

Dem S würde hier die Ausschlagung helfen. Er ist nämlich Pflichtteilsberechtigter und wenn er als pflichtteilsberechtigter Erbe zwar Erbe wird, aber andererseits mit einem Vermächtnis (hier dem Wohnungsrecht für F) belastet wird, so kann er ausschlagen und seinen Pflichtteil von demjenigen verlangen, der dann Erbe wird. Nehmen wir an, dass von den Verwandten des Erblassers E noch dessen Bruder B lebt. B würde dann Erbe werden. Dieser sieht sich dann allerdings konfrontiert mit der Pflichtteilslast, nämlich den Ansprüchen des S. S wäre in der gesetzlichen Erbfolge zu 100 Prozent Erbe des E gewesen (er war der einzige Sohn). Folglich hat er einen Pflichtteilsanspruch von 50 Prozent des Erbes, kann also die Auszahlung des hälftigen Wertes der Immobilie verlangen. Insbesondere für die F hat dies unter Umständen schlimme Folgen. Zwar bleibt ihr Vermächtnis grundsätzlich bestehen, der Erbe (also jetzt B) kann aber von der F verlangen, dass sie sich an der Erfüllung des Vermächtnisses beteiligt. Wäre also beispielsweise die Immobilie noch 200.000 Euro wert und ihr Wohnrecht hätte einen Wert von noch 50.000 Euro, so könnte der B verlangen, dass sie sich an der Auszahlung des S in der Höhe der Pflichtteilsquote, die auf ihr Vermächtnis entfällt, beteiligt.

Die Pflichtteilsquote betrug 50 Prozent, 50.000 Euro war das Wohnrecht wert. Bedeutet: B müsste der F das Wohnrecht nur dann einräumen, wenn sie im Gegenzug zur Erfüllung der Ansprüche des S 25.000 Euro beisteuert. Im Ergebnis liegt ein Gestaltungsfehler bei der letztwilligen Verfügung des E vor. Es war abzusehen, dass der S möglicherweise die Ausschlagung erklären wird und seinen Pflichtteil beansprucht. Abhilfe wäre geschaffen worden, in dem man die F als Ersatzerbin für den S eingesetzt hätte. Dann wäre sie wenigstens Erbin geworden und hätte notfalls die Immobilie zur Befriedigung der Ansprüche des S verkaufen können. Weiteres Beispiel: Der Ehegatte Der E ist mit der lebenslustigen F im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Beide haben die gemeinsame Tochter T. E hat sein gesamtes Vermögen in der Ehezeit erworben, die F hat keinen Vermögenserwerb erzielt.

Der eherechtliche Zugewinnausgleich bestünde somit in der Hälfte des Vermögens des E zugunsten der F. Weil E argwöhnt, dass nach seinem Tode die F sein Geld ausgeben würde, wählt er folgende Konstellation: In seinem Testament setzt er die F als (nicht befreite) Vorerbin, die Tochter zu seiner Nacherbin ein. So wird nach seinem Versterben die F zwar seine Erbin, kann aber nur von den sogenannten „Früchten“ des Nachlasses, zum Beispiel Mieteinkünfte oder Zinseinkünfte profitieren. Über den eigentlichen Stamm des Vermögens darf sie nicht verfügen. Dies bleibt der Nacherbin erhalten. Als E stirbt ist die F mit ihrer Vorerbenstellung unzufrieden. Folge: Sie schlägt aus. Beim Ehegatten führt dies dazu, dass er zum einen den sich rechnerisch ergebenen Zugewinnausgleich von dem dann eintretenden Erben verlangen kann, darüber hinaus bleibt noch der Pflichtteilsanspruch, in unserer Konstellation 1/8 des Nachlasses des E. Zusammengefasst kann die F somit die Hälfte des Vermögens als Zugewinnausgleich und ein weiteres 1/8 als Pflichtteilsanspruch gegenüber der Erbin T geltend machen. Folge: Nach einem eingetretenen Erbfall ist gut zu überlegen, ob das Erbe anzunehmen ist oder möglicherweise eine Ausschlagung zu attraktiveren Ergebnissen führt. Bei der Gestaltung eines Testaments muss die Möglichkeit der Ausschlagung mit berücksichtigt werden.