Kreis Segeberg. Ein breites Bündnis aus über 350 Expert*innen aus Wissenschaft, Fachpolitik sowie aus Jugendämtern und Einrichtungen ruft die neue Bundesregierung zu einem „Nationalen Fonds Kinder- und Jugendhilfe“ auf. Auch das Jugendamt des Kreises Segeberg beteiligt sich daran. 

Mit dem auf zehn Jahre angelegten Fonds in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Euro sollen dringend notwendige Investitionen in die kommunale Infrastruktur, den Kinderschutz und gleichwertige Lebensverhältnisse für junge Menschen in ganz Deutschland finanziert werden. 

„Die Kinder- und Jugendhilfe umfasst Angebote von den Frühen Hilfen über Kindertagesstätten bis hin zum Kinder- und Jugendschutz und stellt damit die bedeutendste soziale Infrastruktur für alle jungen Menschen und Familien in Deutschland dar“, sagt Andrea Terschüren, Leiterin des Segeberger Jugendamtes. Jährlich nutzen demnach Millionen Kinder, Jugendliche und Eltern Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die von über 550 Jugendämtern, freien Trägern und Vereinen mit zusammen mehr als einer Million Fachkräften erbracht werden. 

 
Bundesweit wurden im Jahr 2023 gut 1,2 Millionen junge Menschen und Familien durch eine erzieherische Hilfe erreicht. Knapp 65.000 Mal mussten Jugendämter eine Kindeswohlgefährdung feststellen und den betroffenen jungen Menschen verlässlich Schutz und Hilfe anbieten, knapp 700 waren es im Jahr 2023 allein im Kreis Segeberg. Dennoch werde diese zentrale Infrastruktur politisch oft nur als Anhängsel von Schule oder Familie betrachtet und erhalte nicht den nötigen Stellenwert. 

„Deutschlandweit ist ein drastischer Investitionsstau zu spüren: Marode Einrichtungen, fehlende Betreuungsplätze und überlastetes Personal gefährden vielerorts eine verlässliche Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und Familien. Und das darf nicht sein“, so Terschüren, die wie ihre Mitstreiter*innen angesichts klammer Kassen vieler Städte und Kreise einen starken finanziellen Impuls des Bundes für unerlässlich hält, um eine bundesweite Kraftanstrengung für die Jugendhilfe zu ermöglichen. 

 
Um die Kinder- und Jugendhilfe zukunftsfähig aufzustellen, skizziert das Bündnis vier strategische Schwerpunkte, in die die Fondsmittel fließen sollen: 
1. Stärkung der kommunalen Infrastruktur: Ziel ist es, inklusive Angebote auf die Bedarfe von Kindern, Jugendlichen und Familien auszurichten, Doppelstrukturen abzubauen und Bürokratie zu reduzieren. Es werden interkommunale Zusammenarbeit und Modellprojekte angeregt, damit alle Kommunen voneinander profitieren können – etwa bei komplexen Hilfebedarfen. 

2.    Ausbau und Modernisierung von Einrichtungen: Mit Hilfe des Fonds sollen Kommunen nötige Sanierungen, energetische Modernisierungen und Erweiterungen ihrer Einrichtungen angehen können, die sie aus eigenen Mitteln kaum stemmen können. Dies schafft die Voraussetzungen dafür, dass Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und bestmöglich gefördert werden können.
3.    Fachkräfteoffensive: Bundesweit mangelt es an Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und weiteren Fachkräften. Der Fonds soll eine Fachkräfteoffensive unterstützen – von mehr Studien- und Ausbildungsplätzen bis hin zur beschleunigten Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse – und Programme zur Fachkräftegewinnung fördern.
4.    Digitale Innovation und Entbürokratisierung: Mit Fonds-Mitteln sollen digitale Angebote und Beteiligungsprojekte für Jugendliche erprobt und etabliert werden. Gleichzeitig soll der Abbau von Bürokratie vorangetrieben werden – etwa durch klare Zuständigkeiten an Schnittstellen zwischen Jugendhilfe, Schule, Arbeitsförderung und Gesundheitssystem, damit Hilfen nahtlos greifen. Eine Digitalisierungsstrategie mit einheitlichen Standards und Fortbildungen soll die Verwaltung und Vernetzung in der Jugendhilfe modernisieren.

Das Bündnis schlägt vor, den Fonds organisatorisch als eigenständige Einheit auf Bundesebene aufzusetzen, um die Mittel strategisch und unbürokratisch vergeben zu können – analog zur Bundesstiftung „Frühe Hilfen“. Jede Kommune würde daraus einen finanziellen Beitrag erhalten, orientiert an Einwohner*innenzahl, Sozialindikatoren und spezifischen Bedarfen. 
„Es ist fünf vor zwölf und es kommt jetzt darauf an, mutig und mit Weitsicht in die Zukunft zu investieren“, sagt Terschüren. „Und wer, wenn nicht unsere Kinder und Jugendlichen, sollte es uns wert sein?“ 

Den Aufruf sowie die stetig wachsende Liste der Unterzeichner*innen können unter https://www.ism-mz.de/aktuelles-details/aufruf-in-die-zukunft-der-kinder-jugendlichen-und-fa-milien-investieren-48.html eingesehen werden.