Kreis Segeberg (em) Im Dezember 2022 hat sich der Segeberger Kreistag für die Gründung einer Kreispartnerschaft mit einer ukrainischen Gebietskörperschaft ausgesprochen. Jetzt ist es so weit: In der Kreistagssitzung am Donnerstag, 14. März (ab 17 Uhr), werden Kreispräsident Jörg Buthmann, Landrat Jan Peter Schröder und Serhij Kramarenko, erster stellvertretender Leiter der Staatsverwaltung des Bezirks Tschernihiw, die offizielle Partnerschaftsvereinbarung zwischen dem Kreis Segeberg und dem Bezirk Tschernihiw im Nordosten der Ukraine unterzeichnen.

Im vergangenen Juli hatte es in der südpolnischen und grenznah gelegenen Stadt Hrubieszow ein erstes Kennenlerntreffen mit Vertreterinnen aus Tschernihiw gegeben. Laut dem ehrenamtlichen Kreis-Partnerschaftsbeauftragten Rüdiger Jankowski war der ukrainische Bezirk „dazu prädestiniert“, Partner des Kreises Segeberg zu werden: „Weil bereits zwei Partner von uns, nämlich Drawsko Pomorskie in Polen und Pölva in Estland, eine Partnerschaft zu einer Kommune im Bezirk Tschernihiw pflegten.“ 

Der Bezirk Tschernihiw, dessen gleichnamige Bezirksstadt rund 150 Kilometer nördlich von Kiew entfernt liegt und der an Belarus und Russland grenzt, wurde 1923 gegründet und ist seit 1991 Teil der heutigen Ukraine. Im Jahr 2020 kam es infolge einer Gebietsreform zu einer Neugründung, die eine Vergrößerung des bisherigen Bezirksgebietes beinhaltete. Verwaltungssitz ist die Stadt Tschernihiw. 

Der Bezirk ist heute 10.249 Quadratkilometer groß und wird von rund 450.000 Menschen bewohnt. 282.000 Einwohner*innen davon leben in der Stadt Tschernihiw. Der Kreis umfasst derzeit 20 Gemeinden. 

Hauptwirtschaftszweig ist nach wie vor die Landwirtschaft, wobei die bäuerlichen Betriebe auf den Anbau von Getreide, Kartoffeln, Flachs, Gemüse, Futterpflanzen und die Produktion von Eiern, Milch, Rind- und Schweinefleisch spezialisiert sind. Infolge der Kriegswirren können aktuell nur etwa 90 der Ackerflächen genutzt werden. Der Rest ist vermint.  

Wirtschaftliche Unternehmen wie einer der größten Senfexporteure Europas, ein Stärkemittelproduzent, ein Süßwarenhersteller, ein Exporteur für Hafer- und Getreideflocken, ein Tierfutterhersteller und ein Sonnenblumenölhersteller repräsentieren den Kreis Tschernihiw nach wie vor, obwohl bei der Invasion des Gebiets im Februar/März 2022 mehr als 50 Firmen beschädigt oder zerstört worden sind. 

„Mit dem 24. Februar 2022 endete die friedliche Phase im Leben der Menschen in Tschernihiw“, sagt Jankowski. „Es begann ein Monat voller Leid, Belagerung und Zerstörung.“ Zahlreiche Siedlungen wurden von russischen Truppen besetzt, die Bewohner*innen gefoltert und durch Luftangriffe und Beschuss getötet. Infolge des Angriffs und der mehr als einen Monat lang anhaltenden Bombardierung wurden 55 Bildungseinrichtungen, 61 Kultur- und Sporteinrichtungen, 50 medizinische Einrichtungen sowie das Gebäude der Poliklinik und eine Reihe anderer Infrastrukturobjekte erheblich beschädigt oder ganz zerstört. 
Während der Blockade der Stadt Tschernihiw führte die russische Armee zahlreiche Luftangriffe auf zivile Infrastrukturen durch. Dabei vernichtete das Militär allein in der Bezirksstadt 27 Schulen, 37 Kindergärten und drei Krankenhäuser. Wohngebäude wurden ebenfalls in erheblichem Ausmaß beschädigt oder dem Erdboden gleichgemacht. 

Seit dem 26. Februar 2022 werden aus dem Gebiet des Bezirks Tschernihiw zahlreiche Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung in Dokumentarfilmen festgehalten. So auch der Beschuss einer Schlange wartender Menschen, die für Brot anstanden. 14 Zivilist*innen wurden dabei getötet. 
„Trotz der andauernden Kriegsaktivitäten sind die Menschen vor Ort bemüht, den Wiederaufbau voranzubringen“, sagt Jankowski. Dabei habe der Wiederaufbau der Poliklinik in der Bezirksstadt absolute Priorität. Woran es vor allem fehle, seien Baumaterial und Einrichtung. Zweite Priorität habe der Bau von Luftschutzkellern.  

Die vierköpfige ukrainische Delegation kommt am heutigen Dienstag in Bad Segeberg an. Neben Besichtigungen verschiedener Städte im Kreis stehen unter anderem auch Besuche der Allgemeinen Klinik Bad Segeberg sowie der Firma Pelz in Wahlstedt auf dem Programm.  
Nach der feierlichen Unterzeichnung der Partnerschaftsvereinbarung findet im Anschluss an die Kreistagssitzung ein offizieller Abend im Restaurant Am Ihlsee in Bad Segeberg statt. Mehrere Übersetzer*innen sollen dafür sorgen, dass es hierbei einen Austausch ohne allzu große Sprachbarrieren geben kann.