Bad Segeberg. Wer eine Kündigung in der Hand hält, schaut meist zuerst auf das „Warum“. Und wer kündigt, fragt sich häufig: Sollte ich den Grund lieber gleich ins Schreiben aufnehmen – oder lasse ich das besser? Die kurze Antwort lautet: Im Regelfall muss das Kündigungsschreiben keine Begründung enthalten. Entscheidend wird der Kündigungsgrund oft erst im Kündigungsschutzprozess – dort aber mit voller Wucht.

Dieser Beitrag erklärt praxisnah (für Arbeitgeber und Arbeitnehmer), wann Gründe im Kündigungsschreiben erforderlich sind, welche Ausnahmen es gibt und wie sich das Fehlen einer Begründung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht auswirkt.

1) Ausgangspunkt: Schriftform ja – Begründung meistens nein

Eine Kündigung beendet ein Arbeitsverhältnis nur wirksam, wenn sie schriftlich erklärt wird (Papier, Originalunterschrift).
Eine generelle Pflicht, den Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben zu nennen, gibt es dagegen grundsätzlich nicht.

Wichtig: Das bedeutet nicht, dass man „grundlos kündigen“ dürfte. In vielen Arbeitsverhältnissen (insbesondere bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes) braucht es sehr wohl tragfähige Gründe – nur müssen sie eben nicht zwingend im Schreiben stehen.

2) Was passiert im Kündigungsschutzprozess, wenn im Schreiben kein Grund steht?

Für Arbeitnehmer: Keine Begründung im Schreiben = kein Freifahrtschein, aber ein Signal

Wenn kein Grund genannt ist, ist die Kündigung nicht automatisch unwirksam.
Trotzdem hat das in der Praxis Folgen:

  • Unklarheit erhöht das Prozessrisiko: Wer den Grund nicht kennt, kann schwerer einschätzen, ob sich eine Klage lohnt – die Klagefrist läuft aber trotzdem.
  • Fristfalle: Eine Kündigungsschutzklage muss grundsätzlich innerhalb von drei Wochen ab Zugang erhoben werden.

Merksatz: Auch wenn „nichts drinsteht“ – die 3-Wochen-Frist ist der Taktgeber.

Für Arbeitgeber: Im Prozess müssen Gründe geliefert werden – und zwar belastbar

Spätestens wenn Klage erhoben wird, gilt: Die Kündigungsgründe müssen im Verfahren dargelegt (und je nach Konstellation bewiesen) werden.
Fehlt es an einer schlüssigen Begründung, wackelt die Kündigung – selbst wenn das Kündigungsschreiben formal korrekt war.

3) Darf der Arbeitgeber Gründe „nachschieben“?

Ein Klassiker im Kündigungsschutzprozess: Im Schriftsatz tauchen Gründe auf, die im Kündigungsschreiben (und manchmal sogar in der ursprünglichen Argumentation) nicht vorkamen.

Grundsatz: Das Nachschieben weiterer Kündigungsgründe kann zulässig sein, wenn diese Gründe bereits bei Zugang der Kündigung objektiv vorlagen. Entsteht der neue „Grund“ erst später, kann er die bereits erklärte Kündigung grundsätzlich nicht nachträglich retten.

Praxisfolgen:

  • Arbeitgeber gewinnen damit Flexibilität – aber nicht grenzenlos.
  • Arbeitnehmer sollten genau prüfen lassen, ob die nachgeschobenen Tatsachen tatsächlich schon vorher vorlagen und ob sie prozessual überhaupt noch verwertbar sind.

4) Wichtige Ausnahmen: Wann Gründe im Schreiben (oder auf Verlangen) doch eine Rolle spielen 

a) Fristlose Kündigung: Grund muss nicht ins Schreiben – kann aber verlangt werden
Bei der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung gilt: Der Grund muss typischerweise nicht im Kündigungsschreiben stehen.
Aber: Auf Verlangen muss der Kündigende den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Für Arbeitnehmer: Ein solches Verlangen kann helfen, Klarheit zu schaffen und die Verteidigung im Prozess zu strukturieren.
Für Arbeitgeber: Eine unüberlegte „Begründungsnachricht“ kann später zum Bumerang werden (Widersprüche, unnötige Details, Angriffsflächen).

b) Auszubildende: Hier ist die Begründung im Kündigungsschreiben zwingend

Bei Ausbildungsverhältnissen ist die Lage deutlich strenger:
Die Kündigung muss – je nach Konstellation – unter Angabe des wichtigen Grundes schriftlich erfolgen; eine fehlende Begründung kann nicht „nachgereicht“ werden.

Das ist einer der wichtigsten Fälle, in denen „keine Begründung im Schreiben“ tatsächlich ein Formproblem werden kann.

c) Betriebsrat: Gründe müssen vor Kündigung mitgeteilt werden – sonst droht Unwirksamkeit

Existiert ein Betriebsrat, muss er vor jeder Kündigung angehört werden und der Arbeitgeber muss ihm die Gründemitteilen. Eine Kündigung ohne ordnungsgemäße Anhörung ist unwirksam.

Achtung: Das ist nicht zwingend eine „Begründungspflicht im Kündigungsschreiben“, aber in der Praxis oft der Punkt, an dem Kündigungen scheitern – weil die Begründung intern (gegenüber dem Betriebsrat) nicht sauber war.

d) Sonderkündigungsschutz (z. B. Schwerbehinderung): Nicht im Schreiben – aber im Verfahren hochrelevant

Bei schwerbehinderten Menschen ist regelmäßig die vorherige Zustimmung des Integrationsamts erforderlich; ohne diese ist die Kündigung unwirksam.
Auch hier gilt: Der Grund muss nicht automatisch im Kündigungsschreiben stehen – aber die Voraussetzungen(Zustimmung, Verfahren) sind prozessentscheidend.

5) Strategische Frage: Soll man den Kündigungsgrund trotzdem ins Kündigungsschreiben aufnehmen?

Hier gibt es kein „immer richtig“. Es ist eine Abwägung zwischen Prozesstaktik und Kommunikation.

Warum Arbeitgeber häufig keine Gründe ins Schreiben schreiben

  • Reduziert Angriffsflächen: Jede Formulierung kann später seziert werden („Widerspruch“, „zu unbestimmt“, „falsches Datum“).
  • Flexibilität im Prozess: Der Tatsachenvortrag kann strukturiert und – im rechtlich zulässigen Rahmen – ergänzt werden.
  • Datenschutz & Interna: Insbesondere bei verhaltensbedingten Vorwürfen.

Warum Arbeitgeber manchmal doch Gründe aufnehmen (oder separat erläutern)

  • Deeskalation: Ein sauber erklärter Hintergrund kann Eskalation und Klagebereitschaft senken (nicht immer, aber manchmal).
  • Verhandlungsfähigkeit: Wer nachvollziehbar kommuniziert, kommt häufiger schneller in Vergleichsgespräche.
  • Sonderfälle: Bei Auszubildenden ist die Begründung im Schreiben nicht optional.

Empfehlung aus der Praxis:
Wenn Gründe kommuniziert werden, dann häufig besser separat (z. B. in einem Gespräch oder in einem Anwaltsschreiben) – und konsistent zu dem, was später vor Gericht vorgetragen wird.

6) Checklisten: Was beide Seiten sofort prüfen sollten

Arbeitgeber: „Kündigung ohne Begründung“ – aber bitte nicht ohne Plan

  1. Form & Zugang: Schriftform/Originalunterschrift, Zustellung beweisbar.
  2. Anwendbarkeit KSchG & Kündigungsgrund: Ist sozial gerechtfertigt / trägt der Grund?
  3. Betriebsrat beteiligt? Gründe ordnungsgemäß mitgeteilt?
  4. Sonderkündigungsschutz: z. B. Schwerbehinderung/Behördenzustimmung.
  5. Dokumentation: Wer wusste was wann? (Wichtig für „Nachschieben“ und Glaubwürdigkeit).

Arbeitnehmer: Nicht auf die Begründung warten – Frist läuft

  1. Zugangstag notieren (Briefkasten zählt).
  2. 3-Wochen-Frist im Blick: Klage rechtzeitig einreichen.
  3. Bei fristloser Kündigung: Gründe schriftlich verlangen (wenn unklar).
  4. Betriebsrat vorhanden? Nachfragen, ob Anhörung erfolgte (ohne Details zu erwarten).
  5. Unterlagen sichern: Abmahnungen, Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen, Chat-/E-Mail-Verläufe (rechtmäßig).

7) Häufige Fragen aus der Beratungspraxis

Macht ein fehlender Kündigungsgrund die Kündigung automatisch unwirksam?
In den meisten Arbeitsverhältnissen: nein. Entscheidend sind Form, Zugang und die materiellen Voraussetzungen – und die werden im Prozess geprüft.

Kann der Arbeitgeber im Prozess „neue“ Gründe erfinden?
Er kann Gründe ergänzen, aber die nachgeschobenen Tatsachen müssen grundsätzlich schon beim Zugang der Kündigung objektiv vorgelegen haben.

Gibt es Fälle, in denen der Grund zwingend ins Schreiben muss?
Ja, z. B. bei Auszubildenden in den gesetzlich vorgesehenen Konstellationen.

Fazit

Dass Kündigungen häufig „ohne Begründung“ ausgesprochen werden, ist rechtlich meist zulässig – aber prozessual kein Selbstläufer.
Im Kündigungsschutzprozess zählt nicht, wie viel im Schreiben steht, sondern ob der Arbeitgeber die Kündigung rechtlich tragen kann und ob alle Verfahrensvorgaben eingehalten wurden (Betriebsrat, Sonderkündigungsschutz, Dokumentation).

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Jeder Fall weist Besonderheiten auf und sollte rechtlich geprüft werden. Der Text wurde mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz erstellt und redaktionell überarbeitet.