Neumünster (em) Kein „Sehr geehrte Damen und Herren“, keine Begrüßung von Honoratioren wie das sonst bei Kongressen üblich ist. Stattdessen erheben sich die rund 350 Christen im Neumünsteraner Casa Bet El und singen ein modernes Glaubensbekenntnis. Überlebensgroß bewegt sich die Band auf einer Leinwand vor ihnen, ihren Sound strahlen mächtige Boxen in den Saal ab.

Denn das ist die Besonderheit dieses dreitägigen „Willow Creek Leitungskongresses“: Das eigentliche Geschehen spielt sich vor knapp 12.000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle ab und wird noch bis Sonnabend per Live-Stream nach Neumünster übertragen. Dreizehn namhafte Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche wollen den Teilnehmern vermitteln, wie sie durch kluge und motivierende Leitung ihrer Kirchengemeinden Menschen auch in Zukunft für den christlichen Glauben begeistern.

In einem der ersten Vorträge nimmt sich Professorin Erin Meyer der Unterschiede an, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen. Die Amerikanerin läuft beim Sprechen aufgekratzt auf der Bühne hin und her, gestikuliert, lächelt gleichzeitig breit in die Kameras. Menschen aus dem arabischen Kulturkreis, erklärt sie, würden Kritik häufig dadurch ausdrücken, dass sie negative Punkte schlicht verschweigen würden, während Deutsche zuerst sehr allgemein lobten, um anschließend jedes Detail zu bekritteln. Während es in einigen Kulturen entscheidend ist, was zwischen den Zeilen ausgesagt wird, sind gerade Europäer mit dieser Art der Kommunikation anfangs überfordert.

Manuela Kukhahn ist von der Referentin begeistert. Sie ist aus Kaltenkirchen zur Liveübertragung nach Neumünster gekommen: „Was bei Unstimmigkeiten einfach an den verschiedenen Denkweisen und Kulturen liegen könnte: dieses Hintergrundwissen hilft mir wirklich weiter.“

In der Pause zwischen zwei Vorträgen flimmert ein Video über die Leinwand. Es stellt Vorzeigeprojekte vor, bei dem Christen in China ein Wasserprojekt betreiben und gleichzeitig eine Gemeinde gegründet haben. Dann erscheint Bill Hybels, der Gründer der amerikanischen Megachurch Willow Creek, die jeden Sonntag in Chicago rund 15.000 Gottesdienstbesucher zählt. Er ist quasi Gastgeber des Leitungskongresses und nutzt die Zeit, um in Dortmund ein Gebet zu sprechen. Auch in Neumünster kehrt dabei Stille ein, es senken sich die Köpfe. „Zuerst war ich nicht ganz sicher, ob bei der Liveübertragung der Funke überspringt“, gibt Sibylle Klindt zu, die aus Großenaspe nach Neumünster gekommen ist. „Aber ganz schnell hatte ich das Gefühl, tatsächlich dabei zu sein wirklich toll.“

Nach Neumünster geholt hat die Veranstaltung die Lutherkirchengemeinde um Pastor Hans-Christian Hübscher. Mit seinem Team aus rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeitenden tun sie alles, um eine angenehme Kongressatmosphäre zu schaffen. Etliche von ihnen haben sich extra dafür frei genommen. Auch das Moderatorenduo Andrea Schütt und Olaf Gorzolka. Sie geben den Teilnehmern praktische Hinweise vor Ort, wo es beispielsweise Gelegenheiten zum Mittagessen gibt. Oder sie springen auf die Bühne, als plötzlich der Livestream abbricht. Eine einmalige Panne, die die Techniker schnell im Griff haben. Auch als Toiletten kurzfristig ausfallen, reagieren die Besucher erstaunlich gelassen. Es herrscht ein freundschaftlicher, liebevoller Umgang untereinander im Saal.

Entsprechend positiv fällt die Zwischenbilanz von Pastor Hübscher und seinem Team nach dem ersten von drei Tagen aus: „Wenn man uns noch einmal anbietet, einen Leitungskongress zu übertragen, dann sind wir wieder dabei.“

Foto: Aufmerksam folgen die Besucher in Neumünster dem Vortrag der Amerikanerin Prof. Erin Meyer (auf der Leinwand links mit Übersetzerin).