Neumünster (em) Zwar konnte Obermeister Joachim Schlüter in diesem Jahr nur neun junge Tischler aus ihren Lehrpflichten befreien und in den Gesellenstand erheben, dennoch sind die gut ausgebildeten Fachkräfte gefragt wie nie. Die kreativen Gesellenstücke erhielten in diesem Jahr eine besondere Würdigung.
„Ihr habt mit eurer Ausbildung den Grundstein gelegt für einen Beruf mit Zukunft und verschiedenen Weiterbildungsmöglichkeiten“, lobte der Obermeister der Neumünsteraner Innung die Absolventen bei der feierlichen Freisprechung am Freitag, 27. Juni 2025, im Landgasthof Wilhelmsruh. So sei etwa der Aufstieg zum Tischlermeister möglich oder die Fortbildung zum Innenarchitekten. „Faszinierend und besonders schön“ habe er die dreijährige Lehrzeit empfunden, weil „am Ende immer Unikate stehen“, anerkannte Henrik Pünner, Lehrer an der Walther- Lehmkuhl-Schule in Neumünster, die Leistungen der jungen Handwerker.
Unikate aus Holz
Ein Schreibtisch mit Glas und Stahlelementen, der frei zu schweben scheint, eine coole Bar, ein schicker Couchtisch oder eine einladende Flursitzbank - jedes Gesellenstück bestach durch seine Individualität. Davon überzeugten sich auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Nortex-Kunden bei der Ausstellung „Junge Tischler stellen aus“ im Modehaus am Grünen Weg. Weil bei der Betrachtung der Gesellenstücke stets viele „Oh“ und „Ah“ zu hören sind, hat sich die Tischler-Innung Neumünster in diesem Jahr zusammen mit Nortex dafür entschieden, erstmalig einen Publikumspreis auszuloben. Insgesamt gaben 366 Kunden ihre Stimmen für ihr liebstes Möbelstück ab, Philo Louis Nickel (gelernt bei der Tischlerei Voigtländer Nickel GmbH) bekam mit 166 die meisten Stimmen sowie einen Geldpreis.
Langeweile? Gibt’s nicht!
Die Innungsbeste wurde die einzige weibliche Tischlerin des Jahrgangs, Bente Paulsen. Die 21-Jährige hat ein Sideboard designed und gebaut, das eine Musikanlage beherbergen kann. Weil sie nicht nur handwerklich, sondern auch musisch begabt ist und gerne Klavier und Gitarre spielt, hat die junge Tischlerin ins Sideboard einen Notenständer integriert. „Nach dem Abitur wollte ich nicht mehr nur noch theoretisch lernen, sondern wollte in die Praxis. Mit der Tischlerausbildung habe ich meinen Traumberuf gefunden, denn ich kann Neues ausprobieren, kreativ sein und am Ende mein Produkt sehen. Außerdem wird es mir nicht langweilig in dem Beruf“, beschrieb Bente Paulsen (Tischlerei Wendt GmbH). Ihr Möbelstück aus braunem Nussbaum und blauen Schiebetüren überzeugte auch die Jury der „Guten Form“, die über die Teilnahme der besten Gesellenstücke am landesweiten Gestaltungswettbewerb entscheidet.
Dennis Freese, Geschäftsleiter der Tischlerei Wendt in Wasbek, erklärte die Verantwortung von Betrieben, die ausbilden: „Man trägt zum Überleben des Handwerks bei und steuert dem eklatanten Fachkräftemangel entgegen. Viele unserer Gesellen bleiben im Anschluss bei uns, so stärken wir auch unseren Betrieb.“
Umschulung im Gefängnis
Für den 51-jährigen Mike Garbe ist die Tischlerlehre sogar die zweite Ausbildung, nachdem er bereits als Industriekaufmann gearbeitet hatte. Er ist straffällig geworden und verbüßt eine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Neumünster, wo er sich für die Ausbildung zum Tischler entschieden und nun abgeschlossen hat. „Ich hatte Lust, etwas Neues zu beginnen, ein Ziel zu haben und zu erreichen. Später möchte ich gerne in einer Tischlerei weiterarbeiten, denn der Beruf macht stolz und zufrieden, weil man sieht, was man geschaffen hat“, erklärte er.
Die Werner-Hesebeck-Stiftung in Henstedt-Ulzburg unterstützte ihn, Bente Paulsen, Simon Witschel (Tischlerei Wendt) und Philo Louis Nickel mit einer finanziellen Förderung. Die Stiftung möchte Tischler-Talente bei der Weiterbildung unterstützen.
Bild: Die Junggesellen der Tischler-Innung Neumünster sowie Lehrer und derObermeister stellen sich zum Gruppenfoto auf.