Neumünster (rj) Wer in den vergangenen Wochen beim Modecentrum Nortex im Grünen Weg vorbeigeschaut hat, dem ist das große Baumodell in der Eingangshalle sicherlich nicht entgangen. Hier präsentiert das Unternehmen seinen Kunden die schon länger angedachten Erweiterungspläne. Doch die Chancen, das eigene Sortiment kräftig zu erweitern, sind gesunken. Die Politik hält sich bedeckt.

Schon 2009 wurde in der Ratsversammlung ein Antrag eingebracht, der die Erweiterungspläne als auch die Angebotspalette des Modehauses um klassische Innenstadtsortimente zu ergänzen vorsah. Dieser Antrag wurde damals von allen Ratsfraktionen unterstützt.

Experten warnen vor Auflockerung des Einzelhandelskonzeptes
Nachdem rund um Neumünster die Einzelhandelsstandorte Citti in Kiel und Dodenhof in Kaltenkirchen sowie in Neumünster das sich im Bau befindende Designer Outlet Center und ein warscheinliches Innenstadteinkaufscenter eine Gesamtverkaufsfläche von fast 140.000 Quadratmetern und einem geschätzten Umsatz von rund 600 Millionen Euro jährlich zusammenbringen, sieht sich das Traditionsunternehmen schon fast gezwungen, seine Pläne nun endlich umzusetzen. Nicht zuletzt, weil mehrere Gutachter Unternehmen mit ähnlichen oder gleichen Angebotsstrukturen wie Citti und Dodenhof Umsatzrückgänge von zehn bis 30 Prozent bescheinigen. Bei einer Expertenanhörung im Rahmen des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses im September wurden jetzt jedoch rechtliche Probleme der von Nortex angestrebten Erweiterung angemerkt. Baurechtsexperte Prof. Dr. Hans- Jörg Birk, der die Stadt im Gerichtsverfahren um die Genehmigung des Designer-Outlet-Centers vertreten hat, machte ebenso wie Rainer Bock, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Kiel, deutlich, dass die von der Stadt beschlossenen Regelungen im Einzelhandels- und Zentrenkonzept nicht aufgeschnürt werden dürfen. Das Konzept hat laut Birk nach dem Beschluss in der Ratsversammlung Gesetzeskraft. Danach dürfte Nortex nur bedingt erweitern. In der Ratsversammlung steht Ende September nun die Entscheidung an, einer Erweiterung der Nettoverkaufsfläche des Modehauses auf 16.000 Quadratmeter zuzustimmen. Zudem geht es um die Aufstockung des Sortiments. Im Shop-in-Shop-System sollen neben Mode auch Schuhe (auf 2500 Quadratmetern), Lederwaren, Sportartikel Schmuck, Uhren und Parfüm verkauft werden.

Nortex-Existenz gefährdet?
15 Millionen Euro will das Unternehmen in die Hand nehmen, um der veränderten Wettbewerbssituation mit dem Innenstadt-Einkaufscenter und dem DOC gewappnet zu sein. Die Festsetzung einer Fläche von 4000 zusätzlichen Quadratmetern zur Abrundung des Outfits ist laut Nortex überlebensnotwendig. Soll die Ratsversammlung dem Willen folgen? Kann man als Stadt ein Unternehmen, das zum Standort Neumünster steht, baulich und wirtschaftlich einschränken, obwohl auf Grund der Entwicklung auch an den Standorten Kiel und Kaltenkirchen die Mitbewerbersituation so groß ist, dass die Existenz des Unternehmens gefährdet scheint?

Das Stadtmagazin hat diese Fragen allen fünf in der Ratsversammlung vertretenen Parteien gestellt.

Drei Parteien halten sich bedeckt

Neumünster (rj) Gerne hätten wir an dieser Stelle die Meinungen aller Parteien in der Ratsversammlung abgedruckt, nur wollten sich längst nicht alle zum Thema Nortex äußern. In der Sache steckt Brisanz.

Die SPD-Fraktion hat für die Ratsversammlung am 27. September einen Antrag eingereicht. Darin wird gefordert, einer Erweiterung des Modehauses auf 16.000 Quadratmeter Nettoverkaufsfläche zuzustimmen und damit den Weg für neue Segmente am Grünen Weg freizumachen.

„Nortex benötigt die Erweiterung dringend, um gegenüber dem nun endlich rechtssicher genehmigten DOC im Industriegebiet Süd wettbewerbsfähig zu bleiben“, meint SPD-Fraktionschef Andreas Hering. „Schon heute spürt das Unternehmen einen Kaufkraftabfluss durch die Citti- und Dodenhof- Erweiterungen. Um hier gegenzusteuern, müssen die B-Plan-Änderungen nunmehr umgesetzt werden. Nortex muss die Möglichkeit erhalten, sich auf die veränderten Marktbedingungen einstellen zu können. Außerdem sollen die rund 250 Arbeitsplätze erhalten bleiben und weitere hinzukommen.“
Jörn Seib, Fraktionschef Bündnis für Bürger, sieht es ähnlich: „Wenn das DOC anläuft, wird ohne eine Strategieanpassungsoption für Nortex der Umsatz um etwa 30 Prozent sinken. Das kann auf Dauer kein Unternehmen verkraften. Heute werden 250 Mitarbeiter werden heute tariflich bezahlt.“ Seib zeigt Unverständnis darüber, warum ein noch nicht existierendes Einkaufszentrum schon jetzt eine Erweiterung für Nortex ausschließen kann.
„Für das DOC gelten diese Reglementierungen nicht und für ein Einkaufscenter in der Innenstadt scheint das Einzelhandelskonzept angepasst werden zu können. Die Frage darf also nicht Nortex oder Einkaufszentrum lauten, sondern wie ermöglichen wir beide Projekte?“, führt er aus.
Wie ist das Signal der anderen Parteien? „Wir werden kein Statement abgeben“, so CDU-Fraktionschefin Sabine Krebs. Die Liberalen halten sich ebenfalls bedeckt. „Von uns gibt es zu diesem Thema keine Stellungnahme, solange rechtliche Fragen noch der Klärung bedürfen“, teilt uns FDP-Kreisvorsitzender Reinhard Ruge mit. Auch die Grünen wollen sich nicht äußern. Die SPD hofft weiter, dass der schon 2009 bekundete Wille aller Ratsfraktionen, Nortex zu unterstützen, heute noch gilt. Fraglich. Vielmehr sind folgende Szenarien auf der Ratsversammlung wahrscheinlicher: Der Antrag wird von einer Mehrheit gleich abgelehnt, um kein Risiko einzugehen. Sollten die Ratsmitglieder doch zustimmen, dürfte im Anschluss Oberbürgermeister Dr. Olaf Tauras Widerspruch einlegen, weil nach der Expertenanhörung im September feststeht, dass die Erweiterungspläne gegen geltendes Recht verstoßen.

Fotos:
Nur Andreas Hering (SPD, oben) und Jörn Seib (BfB, unten) nehmen Stellung.