Neumünster (rj) Unmittelbar an der Autobahnausfahrt Neumünster- Nord wird ein umfangreiches neues Industrie- und Gewerbegebiet geplant. Die Ratversammlung hatte den dazugehörigen Aufstellungsbeschluss bereits im November 2011 einstimmig abgesegnet, doch es mehrt sich Widerstand.
Für die Stadt steht fest: Aufgrund der Größe des Gebietes, der Lage direkt an der Autobahn 7 sowie der Möglichkeit, bei Bedarf später gegebenenfalls auch einen Bahnanschluss an die Strecke Neumünster- Flensburg realisieren zu können, eignet es sich ganz besonders für die Ansiedlung von umfangreichen, verkehrsintensiven Gewerbeunternehmen, vielleicht auch aus der Logistikbranche. „Für solche Betriebe ist Neumünster als Standort aufgrund seiner zentralen Lage im Land besonders interessant“, erklärt die Verwaltung dazu auf ihrer Internetseite.
Sorge um weitere Verkehrszunahme
Nur: In einer ersten Bürgerbeteiligung in den Stadtteilbeiräten Einfeld und Gartenstadt, in der Oberbürgermeister Dr. Olaf Tauras, Vertreter der Stadtverwaltung und der Wirtschaftsagentur die Pläne erstmals erläuterten, haben viele Neumünsteraner ihre Bedenken gegen das neue Gewerbegebiet vorgebracht. Die Kritik wird insbesondere laut über einen zunehmenden Lkw-Verkehr und den Eingriff in die Naturschutzbereiche. Wie es von der Stadt heißt, wird sich um Ausgleichsflächen bemüht, es „ist es durchaus vorstellbar, Maßnahmen auch in benachbarten Gemeinden durchzuführen“. Nicht ohne Grund: Neumünster kommt mit Flächenausweisungen mittlerweise an ihre Grenzen.
Fragen an die Parteien
Das Stadtmagazin hat die fünf in der Ratsversammlung vertretenen Parteien gefragt, wie sie mit den Einwänden der Bürger umgehen wollen. Ist eine Entwicklung dieser Fläche wirklich erforderlich oder gibt es Alternativen? Teilen die Fraktionen die Bedenken vieler Bürger, dass bei Umsetzung der Planungen der Schwerlastverkehr im Umfeld des dann neuen Gewerbegebietes zunehmen wird?
SPD: Gewerbegebiet nicht ohne Wenn und Aber
Wenn wir weitere Eingriffe in die Natur vornehmen, sollte dies wohlüberlegt sein. Neben dem ökologischen Aspekt muss in unserer Entscheidung die Nachhaltigkeit der ansiedlungswilligen Unternehmen sowohl im wirtschaftlichen als auch sozialen Bereich von Bedeutung sein. Die Schaffung von langfristigen, sozialversicherungsträchtigen Arbeitsplätzen ist hierbei ein Muss. Transparenz in der Entscheidungsfindung wie auch die Beteiligung aller relevanter Personengruppen am Entwicklungsprozess der Gewerbefläche sind für uns selbstverständlich.
Deshalb hat die SPD Rathausfraktion dem Aufstellungsbeschluss für das Entwicklungsgebiet am Autobahnanschluss Nord im vergangenen Jahr zugestimmt, um frühzeitig eine breite Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Das im August 2011 erstellte Gutachten der Technischen Universität Hamburg-Harburg für die Stadtverwaltung und die Wirtschaftsagentur greift aus Sicht der SPD zu kurz. Eine hauptsächliche Ausrichtung und Nutzung als Hafen-Hinterland, Schwerlastumschlag und Recyclinghof wird es mit uns nicht geben. Zumal eine Antwort auf eine von der SPD-Fraktion im Bau-, Planungs- und Umweltausschuss gestellte Anfrage belegte, dass wir im Gewerbegebiet Süd noch über 30 bis 40 Hektar ausgewiesene Gewerbefreifläche verfügen, die zum Teil nur noch erschlossen werden muss. Auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung der freien Gewerbeflächen sowie einer potenziellen Nutzung ist die SPD gern zu weiteren Gesprächen bereit.
CDU: 3000 Jobs sind von enormer Bedeutung
Der Landesentwicklungsplan 2010 weist erstmals Landesentwicklungsachsen auf. Entlang der A 7 ist eine solche dargestellt. Der Standort an der Autobahnabzweigung Nord ist prädestiniert für ein Gewerbegebiet von überregionaler Bedeutung insbesondere für verkehrs- und logistikorientierte Betriebe, die auf günstige Standorte angewiesen sind. Die Untersuchung der TU Harburg zeigt auf, welche Chancen Neumünster hat.
Die Neumünsteraner Arbeitslosenzahlen von 11 Prozent müssen verringert werden. 3000 neue Arbeitsplätze sind für den Wirtschaftsstandort Neumünster von enormer Bedeutung. In Beantwortung einer kleinen Anfrage zu möglichen anderen zur Verfügung stehenden städtischen Flächen hat ergeben, dass in vergleichbarer Größe nichts vorhanden ist. Gerade von vielen Bürgern wird immer wieder beklagt, dass besonders in den Abendstunden und an den Wochenenden Lkw die Straßen zuparken. Es fehlt einfach Stellfläche. Die wäre dann im Norden vorhanden. Auf der gemeinsamen Sitzung der Stadtteilbeiräte Einfeld und Gartenstadt kam es im Rahmen der Bürgerbeteiligung zu keinem Beschluss. Warum eigentlich nicht?
Es wäre die Aufgabe der Stadtteilvorsteher Zielke und Feldmann- Jäger gewesen, einen Beschlussvorschlag zur Absimmung in öffentlicher Sitzung zu bringen. Alle Einwändungen von Bürgern werden in den städtischen Gremien beraten und abgewogen. Insbesondere auf das Verkehrsgutachten werden die CDU-Vertreter ihr besonderes Augenmerk richten. Neumünster hat Chancen nutzen wir sie.
Bündnis für Bürger
Das Bündnis für Bürger hat nichts für die Bürger. Eine Stellungnahme erreichte uns trotz Nachfrage nicht.
Die Grünen: Lage an der A 7 ist optimal
Für den An- und Abtransport von Waren ist eine Lage unmittelbar an der Kreuzung der A 7 und dem Zubringer optimal, da weder Menschen noch Tiere ihre Heimstatt unmittelbar an der Autobahn haben wollen. Gleichzeitig sollten die Wege für die dort Arbeitenden möglichst kurz sein. Weswegen eine Ansiedlung im Bereich einer Stadt sinnhafter ist als auf dem Land. Das spart Zeit, Treibstoff und Abgase. Große zusammenhängende Gewerbeflächen sind in Neumünster inzwischen Mangelware.
Die geplante Fläche an der A 7 wird nach Aussage der Stadtplanung die letzte dieser Größenordnung auf dem Stadtgebiet sein. Areale wie das des ehemaligen Güterbahnhofs sind prinzipiell eine Alternative. Allerdings müssen sie verfügbar sein (Eigentumsverhältnisse, Altlasten-Frage). Zudem würde sich der Verkehr auf der Rendsburger Straße und dem Ring deutlich erhöhen und zu einer Verschlechterung der Lebensqualität in den angrenzenden Stadtteilen führen.
In den Zeitungen war zu lesen, dass sich ein großer Versand-Handel für eine Ansiedlung auf der Fläche interessieren würde, der eine mehr als bedeutende Zahl an Arbeitsplätzen schaffen wolle. Hier muss zwischen den verschiedenen Interessen abgewogen werden. Gegebenenfalls müssen entsprechende Verkehrslenkung sowie Lärmschutz-Maßnahmen für eine möglichst geringe Beeinträchtigung sorgen.
FDP: Wohnqualität wird nicht darunter leiden
Die FDP steht ohne Wenn und Aber zum geplanten neuen Gewerbegebiet. Flächen für neue Betriebsansiedlungen werden langsam knapp in Neumünster. Im Industriegebiet Süd können kaum noch welche angeboten werden. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, wenn wir Unternehmen, die sich ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen wollen, nicht an benachbarte Städte verlieren wollen. 11 Prozent Arbeitslosigkeit in Neumünster fordern nun mal zum Handeln heraus.
Zu einer Beeinträchtigung der Wohnqualität in den Stadtteilen Gartenstadt und Einfeld wird es nicht kommen. Die Entfernung zum geplanten Gewerbegebiet ist, wie ein einfacher Blick auf den Stadtplan zeigt, deutlich größer als etwa die der Stadtteile Wittorf und Gadeland zum Industriegebiet Süd. Lediglich die Alte Rendsburger Straße wird durch die künftigen Mitarbeiter etwas stärker frequentiert werden, keineswegs aber so stark, wie zu jener Zeit, als die Alte Rendsburger Straße noch die Rendsburger Straße war.
Für den Eichhofweg zeichnen sich Lösungen ab, indem er gekappt oder verlegt und hier nur noch landwirtschaftlicher Verkehr, Radler und Fußgänger zugelassen werden, und für die Straßen Stoverseegen und Stoverbergskamp, die ja schon jetzt beliebte Schleichwege sind, werden vertretbare Lösungen gefunden werden. Das für die Bauleitplanung nötige Verkehrsgutachten wird all diese Einwände zu berücksichtigen haben.