Norderstedt (em) Die Buchhandlung am Rathaus, die Stadtbücherei Norderstedt und die Gleichstellungsstelle der Stadt Norderstedt laden ein zur 16. Lesezeit zum Welttag des Buches.

Norderstedterinnen und Norderstedter lesen Texte aus der Romantik. Wolfgang Dellke moderiert die Veranstaltung. Musikalisch begleiten den Abend Almut Wilker (Sopran), Steffen Krause (Bariton), Hans Dohm (Violoncello) und Rainer Langkau (Klavier). In der Pause erwartet die Gäste ein Buffet. Die Romantik, die als ästhetische Bewegung vom Ende des 18. Jahrhunderts an bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wirksam ist, repräsentiert die Kultur eines bürgerlichen Lebensgefühls. Sie bricht mit der Klassik und deren Orientierung an der Antike undvor allem mit der bürgerlichen Aufklärung und favorisiert einen Kulturbegriff, der auf quasi-religiösen Denkmustern fußt. Psychologisierung, Verinnerlichung und Vergeistigung gehen in der Literatur der Romantik Hand in Hand.

Ihr Sujet ist das Subjekt, ihre Ästhetik eine bis ins Extrem vorangetriebene Subjektivierung der Sicht auf die Welt. War der aufgeklärte Bürger der nach Welterkenntnis trachtende, das selbstbewusste Subjekt, ist der romantische Bürger der „empfindsame“, der sein Leben nicht sozial begreift, die „Welt“ vielmehr als feindlich erfährt und sich der Selbsterkenntnis empfindend hingibt. Sehnsucht in einer der Sehnsucht abholden Welt, Verlorenheit, Liebe, zumal die unerfüllte, die erzwungene (Lebens-) Wander- schaft, das Dunkle, der Tod, auch das Obskure und das Böse - fast möchte man sagen, der romantische Bürger finde seine Erfüllung in der Desillusion - und alle Lebens- äußerung sei unter das Diktat einer schmerzlich empfundenen Vergeblichkeit und Vergänglichkeit gestellt, eine Haltung, die sich geradezu zu einem Kult verdichtet, der den Rückzug, sei es ins eigene kleine Glück, sei es ins eigene Kranken an der Welt, feiert.

Die „Winterreise“ der literarischen Romantik ist freilich vielfältig, auch widersprüchlich. Was wir heute als „romantisch“ goutieren, war auch der Krisenhaftigkeit der Zeit geschuldet das Idol Napoleon demontiert sich selbst in den Napoleonischen Kriegen, dem Wiener Kongress folgt die Restauration der deutschen Kleinstaaterei, aus der beginnenden Industrialisierung resultieren Zwänge, die zunehmend das persönliche Leben des Einzelnen bestimmen. Die Rückbesinnung auf das „Eigene“ hat Konjunktur Volkslieder, Volksbücher, Märchensammlungen machen die Romantik volkstümlich. Mythenbildung setzt politische Akzente. Zugleich ist die Romantik ein goldenes Zeitalter der Philosophie, die bis in die Gegenwart fortwirkt. Die Idee einer „Weltgesellschaft“ steht geradeso zur Diskussion, wie nationalistische Ressentiments sich durchsetzen. Und die literarische Karikatur etwa E.T.A. Hoffmanns, Jean Pauls und Heinrich Heines geißelt Provinzialismus, Kleingeistigkeit, Philistertum und Gefühlsseligkeit. Die Romantik geht an ihrem eigenen Anspruch zugrunde, nämlich, so Friedrich Schlegels Diktum, „das Leben und die Gesellschaft poetisch (zu) machen“.

Die Ästhetisierung von Politik und Gesellschaft erweist sich zuletzt als untaugliches Mittel, gesellschaftliches Leben zu organisieren. Die bürgerliche „Innerlichkeit“ aber überlebt bis heute. „Literatur und Musik der Romantik“ ist das Thema der 16. Lesezeit zum Welttag des Buches, die von Stadtpräsidentin Kathrin Oehme mit einem Märchen der Brüder Grimm eröffnet wird.

Norderstedterinnen und Norderstedter lesen Texte von Novalis, Eichendorff, Clemens Brentano, Friedrich Schlegel, Karoline von Günderrode, Heinrich von Kleist, Chamisso, E.T.A. Hoffmann, Jean Paul und Heinrich Heine. Die Lyrik kommt überwiegend in musikalischer Gestalt „zu Wort“: die Sopranistin Almut Wilker, der Bariton Steffen Krause, der Cellist Hans Dohm und Rainer Lankau am Klavier begleiten den Abend. „Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt“ könnte die Romantik überschrieben werden ihre Repräsentanten sind jung, intellektuelle Avantgarde einer neuen Sensibilität und Angehörige eines Bürgertums, dem in der Phase der politischen Restauration nach der Französischen Revolution und der Niederlage Napoleons in den „Befreiungskriegen“ politische Teilhabe vorenthalten wird. Die Romantiker reagieren darauf mit der Entdeckung der verstörten, verwundeten „Seele“, sie fordern „Phantasie“, sie kultivieren ihr Kranken an der „Welt“ und propagieren das „neue Evangelium“ der Liebe.

Liebesgedicht geht Hand in Hand mit Depression, Sehnsucht nach Entgrenzung spiegelt sich im Leiden an der Enge der eigenen Lebensumstände, Humoriges und Groteskes entlarvt Philistertum. Der „Romantiker“ Heine bricht mit seiner Ironie den Kult um das „Gefühl“ auf und zielt direkt ins Herz der romantischen Programmatik, nämlich „das Leben und die Gesellschaft poetisch machen“ zu wollen. Wolfgang Dellke hat das Programm zusammengestellt und wird den Abend moderieren, der traditionell eine gemeinsame Veranstaltung der Buchhandlung am Rathaus, der Stadtbücherei und der Gleichstellungsstelle ist.

In der Veranstaltungspause erwartet die Besucher ein Buffet. Die Veranstaltung findet am 24. April, von 18 bis 23 Uhr in der Hauptbücherei Norderstedt-Mitte, Rathausallee 50 statt.Der Eintritt kostet 12 Euro, inkl. Buffet (ohne Getränke).

Vorverkauf und Reservierungen ab sofort in der Buchhandlung am Rathaus, Tel. 040/522 72 76 oder per E-Mail an www.buch-norderstedt@wtnet.de. Restkarten werden an der Abendkasse verkauft.