Norderstedt (em) Mit einem Hauch von Wehmut, aber auch mit einer großen Dankbarkeit für eine besondere Zeit haben viele Menschen am letzten Wochenende der Landesgartenschau Norderstedt vom Himmelszelt Abschied genommen.
„Es war ein einzigartiger Ort der Begegnung mit Gott und mit unterschiedlichen Menschen, die hier Ruhe und bei den zahlreichen Regentagen auch einen trockenen Ort fanden, Kraft schöpften und sich oftmals auch für ein paar Minuten mit dem Sinn ihres Lebens auseinandersetzen“, fasst Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach seine Erfahrungen zusammen. Trotz der erfolgreichen Bilanz und vieler Wünsche nach einem Weiterbestand des Himmelszeltes hat dessen Abbau bereits begonnen. Das Himmelszelt soll jetzt verkauft und möglichst einer kirchlichen oder kirchennahen Nutzung zugeführt werden.
„Es wird jedoch in den Herzen aller Beteiligten und sicherlich auch der meisten Besucher weiterleben“, ist sich Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach sicher. „Der Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein hat sich nach einer Prüfung der langfristigen Möglichkeiten für die zukünftige Nutzung des Himmelszeltes für einen Abbau entschieden“, erläutert Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach die sachlichen Gründe: „Die bautechnische Ausführung des Himmelszeltes ist nur auf eine zeitlich begrenzte Nutzung ausgelegt. Für eine dauerhafte Nutzung müssten zahlreiche Anpassungen erfolgen, die zusätzliche Kosten von mindestens 100.000 Euro erfordern würden. Die baurechtliche Frage eines Verbleibs am jetzigen Standort ist nur schwer zu lösen, da das Himmelszelt in einem sogenannten Außengebiet steht, in dem eine dauerhafte Bebauung nicht zugelassen ist. Und ein Umsetzen des Himmelszeltes an einen anderen Standort im Stadtpark würde noch einmal weitere Kosten verursachen. Außerdem müsste das Himmelszelt auch weiterhin regelmäßig genutzt und „mit Leben gefüllt“ werden. Hierfür stehen jedoch keine zusätzlichen Stellen bereit. Die Norderstedter Kirchengemeinden haben in ökumenischer Zusammenarbeit und in einem großen gemeinsamen Kraftakt die kirchlichen Angebote während der Landesgartenschau zusätzlich zu ihrer alltäglichen Gemeindearbeit gestaltet. Und das ist nicht auf Dauer zu leisten. Nicht zuletzt wird eine große Vandalismusgefahr für die nur 0,7 mm starke PVC-Folie des Himmelszeltes gesehen, sobald der Stadtpark frei zugänglich und das Himmelszelt unbewacht sein würde.“
Insgesamt fanden während der 172 Tage der Landesgartenschau rund 900 Aktivitäten im Himmelszelt statt. Über 22.000 Menschen haben an den täglichen drei Andachten, an den sonntäglichen Gottesdiensten und an den zahlreichen Veranstaltungen im Himmelszelt teilgenommen. Dazu gehören auch 15 kirchliche Trauungen (einschließlich einer ökumenischen Trauung und einer goldenen Trauung) und 11 Taufen. Darüber hinaus haben nochmals über 68.000 Menschen das Himmelszelt besucht und oftmals für einen Moment der Stille genutzt. Damit sind insgesamt über 90.000 Personen im Himmelszelt gewesen. Alle 580.000 Besucher der Landesgartenschau Norderstedt haben das Himmelszelt, die einmalige transparente und kuppelförmige Kirche, wahrgenommen. Im Himmelszelt waren jeweils mindestens zwei der rund 150 ehrenamtlichen Himmelswächter als Ansprechpartner anwesend, die hier eine „Gemeinde auf Zeit“ gelebt haben. Ihnen und allen weiteren Mitwirkenden z. B. als Schöpfungswegweiser und als Andacht-Teams gilt ein besonderes Dankeschön!
Immer wieder stellten die Himmelswächter erstaunt fest, wie viele Menschen in das Himmelszelt hinein gekommen sind und dort für einige Minuten verweilten. Insgesamt wurden über 25.000 Teelichter angezündet, um stille Gebete in den Himmel aufsteigen zu lassen. Davon zeugen auch die zahlreichen Einträge im Gäste- und Fürbittenbuch.
An „starken“ Tagen wurden jeweils über 100 Besucher innerhalb einer Stunde gezählt. „Stärkster“ Tag war das Erntedankfest am 2. Oktober mit über 800 Gottesdienstbesucher und nochmals weit über 1.500 Schaugästen. Besondere gottesdienstliche Höhepunkte waren der Ökumenische Eröffnungsgottesdienst zur Einweihung des Himmelszeltes am 21. April mit Bischof Gerhard Ulrich, Nordelbische Ev.-Luth. Kirche, und Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke, Röm.-Kath. Erzbistum Hamburg, die Kreuzweg-Andacht zur Todesstunde Jesu am Karfreitag 22. April, die Osternacht am 23. April, der Familiengottesdienst am Ostermontag 25. April mit anschließender Ostereiersuche, die „Nachtgebete“ im leuchtenden Himmelszelt während des ParkFunkelns im Feldpark am 20. und 21. Mai, der Tag „Mehr Himmel auf Erden“ des Missionarischen Lernprozesses der Nordelbischen Kirche am 21. August, das Interreligiöse Friedensgebet zum zehnten Jahrestag des Terrorangriffs auf die USA am 11. September mit Rabbiner Shlomo Bistritzky, Imam Ali Polat und Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach, der Erntedankgottesdienst am 2. Oktober und der Ökumenische Ab- schlussgottesdienst am 9. Oktober.
Die täglichen Andachten wurden jeweils im Wechsel zwischen allen Konfessionen zu Gartengeschichten der Bibel gestaltet. Außer den Norderstedter Kirchengemeinden haben sich zahlreiche Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen aus der Nordelbischen Kirche und aus dem Erzbistum Hamburg beteiligt. Besondere Gäste waren u. a. der Weltladen Norderstedt, die Gehörlosen- und Schwerhörigenseelsorge der Nordelbischen Kirche, die Mitglieder der nordelbischen Initiative „Kirche für Klima“ und der Arbeitsstelle für Klimagerechtigkeit, Mitglieder des Missionarischen Lernprozesses der Nordelbischen Kirche „Mehr Himmel auf Erden“, Vertreter der Ev. Kirche auf Zanzibar, die Heilsarmee und die Bläser der Nordelbischen Posaunenmission. Musikalische Höhepunkte waren die Konzerte der Reihe „KirchenKlänge“ auf der großen Sparkasse Südholstein Bühne: „Vergnügen zwischen Chaos und Karneval“ Sinfoniekonzert der Deutsche Akademische Philharmonie am 5. Juni, „Gospel Power Soul“ mit Timothy Riley, Love Newkirk und Band am 29. Juni, Duke Ellingtons „Concert of Sacred Music“ mit der Criss Cross Bigband und den Vicelin Voices am 3. Juli, Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ mit der Johanneskantorei Norderstedt am 3. September und „Himmel & Erde Musikalische Geschichten aus der Bibel für Klein und Groß“ am 14. Mai und am 20. September.
Eine große Beteiligung erfuhren auch die Reihen „Musik im Himmelszelt“ an den Mittwochabenden und die besonderen „Nächte im Himmelszelt“, bei denen unterschiedliche kirchenmusikalische Formen und Klänge oder auch Geschichten z. B. über Heilige oder Engel erlebt werden konnten. Ebenso wurden die „Gespräche über Religion“ gerne besucht, bei denen die Norderstedter Kirchengemeinden aller Konfessionen und eine Vertreterin des Chaverim Freundschaft mit Israel e.V. über ihren Glauben und ihr jeweiliges geistliches Leben berichteten. Dabei entstand der Wunsch, diese ökumenischen Begegnungen auch nach der Landesgartenschau fortzusetzen. Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach hielt ergänzend drei Vorträge unter zum Thema „Die Vielfalt der Formen und Farben spüren Friedensreich Hundertwasser theologisch beleuchtet“ zur parallel laufenden Hundertwasser-Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung Norderstedt. Die zehn Stationen des Schöpfungsweges konnten gleich auf dreifache Weise entdeckt werden: Allein auf dem persönlichen Rundgang durch die Landesgartenschau, bei einem geführten öffentlichen Rundgang, der zweimal in der Woche angeboten wurde, und bei besonderen Rundgängen wie z. B. einer Rallye für KonfirmandInnen, die gerade in der zweiten Hälfte der Landesgartenschau von vielen Kirchengemeinden genutzt wurden.
Über 100.000 Text-Bild-Karten mit Anregungen zum Nachdenken und meditativen Texten wurden hierbei von den Besuchern mitgenommen oder von den Himmelswächter erbeten. Eine Attraktion war für die Besucher auch das Erleben der wachsenden und im Sommer leicht im Wind wogenden kleinen Getreidefelder mit Gerste, Roggen und Weizen und deren herbstlichen Ernte im Klostergarten mit Feldblumen, Wegen und Wasser rund um das Himmelszelt. Das Himmelszelt näherte sich so dem Thema „Garten“ auf spirituellem Weg. Die biblischen Gartengeschichten zeigen die Verbundenheit zwischen Gott, Natur und Mensch. Der Garten ist in der Bibel ein Gleichnis für das Leben der Menschen in der Gegenwart Gottes. Der Garten symbolisiert auch den Traum von einer Welt, wie sie sein könnte: ein Ort der Schönheit und des Friedens, der Fruchtbarkeit und des Heils, der innigen Verbundenheit alles Lebendigen. Offen bleibt zur Zeit noch die Frage nach der zukünftigen Tätigkeit von Gartenschau-Pastor Gunnar Urbach: „Die nächsten Wochen sind erst einmal vorbehalten für das Abbauen des Himmelszeltes, das Aufräumen und das Ausschlafen nach 172 Tagen Dauer-Engagement. Außerdem werde ich eine Dokumentation über dieses Projekt erstellen. Und für meine Zukunft ist eines sicher: Ich habe eine Pfarrstelle des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein. Damit ist meine weitere pastorale Tätigkeit sicher. Und über die zukünftigen Aufgaben wird rechtzeitig bis zum Jahresende entschieden und informiert werden. Zunächst einmal danke ich allen für diese besondere Zeit.“
Ansprechpartner für weitere Informationen:
Gunnar Urbach, Pastor, Tel.: 0172 / 6 51 51 11