Norderstedt (em) Frauen fällt der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach längerer Familienpause oder Arbeitslosigkeit schwer. Das liegt selten an den Kandidatinnen selbst oft hören sie, dass sie zu alt sind, und manchmal gibt es die Berufe in der Form, wie sie vor der Pause ausgeübt wurden, nicht mehr.
Diesem Problem nimmt sich nun ein Pilot-Projekt an, das in Hamburg vorgestellt wurde: In enger Zusammenarbeit der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und der Pinneberger Verkehrsgesellschaft mit dem Jobcenter team.arbeit.hamburg und dem TÜV NORD Schulungszentrum werden 14 Frauen zu Busfahrerinnen ausgebildet. Sie wollen bei der VHH PVG Unternehmensgruppe den Wiedereinstieg in den Beruf schaffen!
Die Aufgabenverteilung der Partner ist klar: Der Arbeitgeberservice vom Jobcenter vermittelte interessierte Kandidatinnen, die von TÜV NORD Schulungszentrum und der VHH PVG Unternehmensgruppe auf ihre Eignung geprüft wurden. Die Ausbildung übernimmt das TÜV NORD Schulungszentrum in Norderstedt, und das anschließende Praktikum absolvieren die Frauenbei der VHH PVG. Alle Teilnehmerinnen, die Prüfungen und Praktikum erfolgreich absolvieren, werden von dem Unternehmen im Anschluss festangestellt in den aktiven Fahrdienst aufgenommen. „Der Anteil weiblicher Fahrgäste liegt bei etwa 50 Prozent. Grund genug, diesen Wert auch als Ziel bei der Belegschaft anzupeilen“, so VHH PVG-Pressesprecher Kay Goetze.
Für die 14 Frauen im Alter zwischen 28 und 50 Jahren ist die Ausbildung zur Busfahrerin absolutes Neuland. „Ich bin gelernte Floristin“, erzählt Barbara Krüger, die mit 50 Jahren den Neuanfang machen will. „Als ich den Brief vom Jobcenter bekommen habe, dachte ich, dass ist vielleicht meine letzte Chance und die nutzt du! Los gehts!“ Auch die anspruchsvolle theoretische Ausbildung im TÜV NORD Schulungszentrum bewältigt die zukünftige „Königin der Landstraße“: „Anfangs hatte ich Bedenken wann saß ich das letzte Mal auf der Schulbank? Aber unsere Ausbilder sind toll, immer hilfsbereit und lockern trockene Themen auch mal mit einem Scherz auf.“
Auch Anja Erler sieht in der Ausbildung einen Neuanfang. „An meinem 40. Geburtstag habe ich vom Jobcenter die Zusage bekommen, das war ein tolles Geburtstagsgeschenk“, erinnert sich die leidenschaftliche Autofahrerin, die lange in Restaurants und Kantinen kellnerte und zuletzt ehrenamtlich Senioren in ihrer Kirchengemeinde gefahren hat. „Aber der Lernstoff ist schwer wir müssen auch viele technische Zusammenhänge lernen.“ Dem stimmt auch die 32-jährige Bianca Kranich zu: „Ich hätte nicht erwartet, dass Busfahrer soviel Theorie beherrschen müssen vom Umgang mit Senioren oder Kindern bis hin zur Funktionsweise der Bremsen.“ Die ehemalige Kurierfahrerin fuhr schon als Kind gerne mit dem Bus. „Diese Riesenkisten finde ich faszinierend und bald darf ich eine davon fahren“, freut sich die junge Frau.
Doch nicht nur für die Teilnehmerinnen ist das Projekt etwas Neues, auch für TÜV NORD Schulungszentrum ist die Ausbildung eine Premiere. „Wir bilden zwar schon seit mehr als 20 Jahren Busfahrerinnen und Busfahrer aus, aber für uns ist es die erste reine Frauenklasse“, sagt Rainer Westerwelle, Geschäftsführer von TÜV NORD Schulungszentrum. „Die Dynamik in der Klasse ist etwas ganz Besonderes. Die Teilnehmerinnen fragen mehr als gemischte Klassen und haben sehr schnell eine richtige Klassengemeinschaft gebildet.“
Auch eine Klassensprecherin hat die „lustige Truppe“ gewählt: die 35-jährige Türkin Yalciner Dilek. „Ich war früher als Flugsicherheitsassistentin am Flughafen“, berichtet die Mutter von zwei Kindern, „doch ich musste aufhören, weil sich Kinder und Schichtarbeit einfach nicht vertrugen.“ Mittlerweile sind die Kinder aber alle in der Schule und die Schichtarbeit als Busfahrerin stellt kein Problem mehr da. „Ich habe gerne Kontakt mit Menschen und davon habe ich als Busfahrerin sehr viel“, freut sich Dilek. Als sie das Angebot des Jobcenters bekam, war sie gleich begeistert. „Das ist eine tolle Möglichkeit und außerdem gibt es nur ganz wenige türkische Busfahrerinnen“, weiß die junge Frau, die sich mit ihrem Berufswunsch auch gegen die Kritik aus ihrer Familie durchsetzen musste. „Ich bin halt offener als viele andere türkische Frauen aber dafür weiß ich jetzt auch, wie eine Bremse aussieht“, zwinkert die Klassensprecherin, die die sechste türkische Busfahrerin bei der VHH PVG wird.
Seit dem 15. August büffelt die Klasse zusammen und bis Dezember lernen die Frauen noch alles über die Mechanik im Bus, den Umgang mit Fahrgästen und die Vorschriften in der Personenbeförderung. Im Anschluss folgt das Praktikum bei der VHH PVG-Gruppe und dann ist es im nächsten Jahr soweit: Die Frauen werden als Busfahrerinnen in das Berufsleben zurückkehren.