Norderstedt (rj) Kennen Sie schon das Balkonkraftwerk? Die Mini-Solaranlage für Balkon und Garten, die direkt an die Haussteckdose angeschlossen werden kann, ist eine von zahlreichen Ideen der Zukunftswerkstatt Norderstedt. Die finanzielle Förderung durch das Bundesministerium endet nun vorerst.
An der Denkfabrik beteiligen sich Norderstedter in acht verschiedenen Arbeitsgruppen. Die Förderung seitens der Stadt erfolgt dabei nicht durch direkten Geldmittelfluss, sondern durch Bereitstellung von Ressourcen, wie einer Personalstelle und Sachmittelaufwendungen in Höhe von rund 10.000 Euro. Für den Doppelhaushalt 2014/2015 wären dafür nun jeweils 25.000 Euro für Projekte und Maßnahmen fällig. Viel Geld auf den ersten Blick, doch es gibt ein ambitioniertes Ziel: Norderstedt will bis zum Jahr 2040 eine klimaneutrale Stadt (Nullemissionsstadt) werden. Das wird nur erreichbar sein, wenn über gemeinsame Anstrengungen auf breiter Ebene die CO2-Emissionen gesenkt werden. In der Zukunftswerkstadt sind erste Maßnahmen und Projekte bereits umgesetzt, weitere in der Planung oder kurz vor der Realisierung. Nur die bisherige Projektlaufzeit von etwa neun Monaten ist viel zu kurz, um die erhofften Ergebnisse mit langfristiger Wirkung zu erreichen. Es sind für die Zeit nach der finanziellen Förderung durch das Bundesministerium weitere Mittel notwendig. Das könnte neben den Bemühungen um Sponsorengelder und andere Finanzierungsmöglichkeiten über Gelder im Norderstedter Haushalt zusätzlich gesichert werden. Doch ist die Politik dafür bereit? Wir fragten bei den Parteien in der Stadtvertretung nur von der Wählergemeinschaft WiN kam keine Antwort nach.
CDU: Die Zukunft fängt zuhause an
Die CDU sagt ja zur Fortsetzung der Zukunftswerkstatt. Das finanzielle Förderwagnis des Bundesforschungsministeriums, Norderstedt und 14 weitere Kommunen zu unterstützen, ist nicht nur voll aufgegangen, sondern wurde über die gesetzten Zielmarken hinaus übertroffen. Norderstedt hatte bereits früh mit Maßnahmen zur Energiekosteneinsparung begonnen. Seit acht Jahren sind alle Investitionen an Sach- und Personalmitteln wieder erwirtschaftet (verrechnet gegen die Energiekosteeinsparung). Im Juni wurde nun im Bundesministerium das positive Fazit gezogen, für 2014 wieder für 15 Kommunen eine Förderung aufzulegen. Die Mittel sollten je zur Hälfte für Forschung und öffentliche Bürgerbeteiligung eingesetzt werden. Der erforderliche Forschungsanteil wird in Norderstedt durch die Stadtwerke in Kooperation mit der Helmut-Schmidt-Universität und der Fachhochschule Lübeck gewährleistet.
SPD: Schwung für Norderstedt erhalten
Mit dem von uns unterstützten Ziel, bis zum Jahr 2040 Nullemissionsstadt zu werden, ist es gelungen, bei vielen Menschen und in der Norderstedter Wirtschaft Aufbruchstimmung entstehen zu lassen. Diesen Schwung müssen wir erhalten, um die Ideen aus den Workshops weiterentwickeln zu können. Das Thema Klimaschutz ist zu wichtig, um es nur als kurzfristiges Aushängeschild zu benutzen. Wir meinen es ernst mit der Bürgerbeteiligung und werden sie stärker fördern. Dazu werden wir die Zukunftswerkstadt weiter finanziell unterstützen.
Bündnis 90/Die Grünen: Noch keine Bewertung möglich
Die nachhaltige Stadtentwicklung Norderstedts ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein leitendes Thema. Viele Norderstedter haben sich ehrenamtlich in verschiedenen Projekten der Zukunftswerkstatt eingebracht. Da die Fraktion bisher jedoch nicht in den städtischen Gremien vertreten gewesen ist, möchten wir die zukünftige Rolle der Zukunftswerkstatt erst nach einer fundierten inhaltlichen Bewertung in den Ausschüssen objektiv bewerten und einordnen.
FDP: Engagement weiter unterstützen
Die Zukunftswerkstadt war von vornherein ein auf zwei Jahre befristetes Projekt, Eine ganze Reihe von Bürgern haben mitgewirkt und interessante Ideen entwickelt. Etliche Vorschläge, wie zum Beispiel im Bereich Radverkehr, befinden sich in der Realisierung oder wurden schon umgesetzt. Die FDP möchte das Engagement der Bürger erhalten und den Arbeitsgruppen die Möglichkeit zum Weiterarbeiten geben, um die entwickelten Ansätze fortzuführen. So gibt es zum Beispiel ein Team, das sich bemüht, die älteren Eigentümer großen Wohnraumes mit möglichen Mitbewohnern zusammen zu bringen. Diese Arbeit ist langfristig angelegt. Wir Liberalen möchten, dass die Stadt weiterhin die Räumlichkeiten für die Treffen kostenlos zur Verfügung stellt und damit allen, die sich bisher engagiert haben, die Chance zum Weitermachen gegeben wird. Es wäre vollkommen falsch, wertvolle Ressourcen brach liegen zu lassen.
Die Linke: Denkfabrik muss in der Stadt bleiben
Egal, ob die Förderung durch Dritte wegfällt oder vielleicht neue Mittel aus anderen Töpfen eingeworben werden können, die Zukunftswerkstatt muss bestehen bleiben. Bei einer mittel- bis langfristigen Ausrichtung einer solchen Ressort übergreifenden Veranstaltung darf man nicht schon im Anfangsstadium stehen bleiben, nur weil vermeintlich das Geld fehlt. Politik und Verwaltung denken viel zu oft in kleinen, viel zu kurzen Zeiträumen, von Haushalt zu Haushalt oder von Wahl zu Wahl. Das wirkliche Leben funktioniert aber nicht in solchen Intervallen, und da ist es gut und richtig, wenn man sich als Stadt auch einmal einen solchen „Think Tank“, eine solche Denkfabrik leistet, ohne gleich nach betriebswirtschaftlich auswertbaren Ergebnissen zu schielen. Die Zukunftswerkstatt muss bleiben!