Neumünster (em) Der Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster 2024 geht an die Dokumentarfilmerin, Ethnologin und Autorin Grit Lemke. Die Jury fällte ihre Entscheidung auf einer Sitzung am 11. Oktober 2023 unter besonderer Würdigung der 2021 erschienenen Erzähldokumentation „Kinder von Hoy“. Die Begründung dafür lautet wie folgt:

„Grit Lemke weitet in ihrer dokumentarischen Erzählung „Kinder von Hoy“ die Erzählperspektive einer einzelnen Chronistin zum vielstimmigen Kollektiv aus. Sie schafft damit eine eigensinnige wie überzeugende Textform, eine oral history, in der die ehemalige DDR-Musterstadt Hoyerswerda als Ort des Aufbruchs, als Realisierung einer sozialistischen Moderne und dazuhin als Arbeitsort und Kindheitswelt erlebbar wird. Eine hier entstehende Künstler- und Clubszene protokolliert ratlos die nach der Wiedervereinigung einsetzende politische Radikalisierung, die sich aus den bereits seit den 70er Jahren registrierten Keimzellen eines Rassismus gegenüber den in der Stadt lebenden Vertragsarbeitern entwickelt. Lemkes dokumentarische Nüchternheit lässt diese Entwicklung greifbar werden, lässt einzelne Deutungen aufblitzen, ohne diese im eigenen Sinne abschließen zu wollen. Sie rekonstruiert uns die Topographie ihrer weithin fremd gewordenen Kindheitslandschaft.“

Der Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster wird seit 1981 alle zwei Jahre verliehen. Er ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro dotiert und soll am 20. März 2024 im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung an die 21. Preisträgerin überreicht werden. Mitglieder der Jury waren: Stadtrat Carsten Hillgruber als Vorsitzender, Dr. habil. Sandra Kerschbaumer, Dr. Stefan Knüppel, Burkhard Möbius, Dr. Wolfgang Sandfuchs, Franziska Wolffheim, Frauke Tensfeldt.

Grit Lemke wurde 1965 in Spremberg/Niederlausitz geboren, sie verbrachte Kindheit und Jugend in Hoyerswerda. Nach einer Lehre als Baufacharbeiterin und der Arbeit im Veranstaltungsbereich studierte sie in Leipzig u.a. Ethnologie und Literaturwissenschaft. Später wurde sie an der Berliner Humboldt-Universität im Fach Europäische Ethnologie promoviert. Sie arbeitete anschließend als Journalistin, Kuratorin und Filmkritikerin. Viele Jahre war sie beim Leipziger Festival für Dokumentarfilm, zuletzt in leitender Position, tätig. Im Jahr 2019 entstand ihr abendfüllender Dokumentarfilm „Gundermann Revier“ über den befreundeten Liedermacher Gerhard Gundermann. Lemke engagiert sich bis heute in zahlreichen Gremien im Rahmen europäischer Film- und Kulturfestivals.