Neumünster (em) Für das von der Ärztegenossenschaft Nord gemeinsam mit der BARMER GEK entwickelte Versorgungskonzept „SAmS“ beginnt jetzt die Pilotphase. Umgesetzt wird diese mit dem Medizinischen Praxisnetz Neumünster (MPN). SAmS steht für „Strukturierte Arzneimitteltherapie für multimorbide Senioren“ und soll helfen, die häufig umfangreiche medikamentöse Behandlung älterer Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Der Startschuss fiel im Rahmen der Auftaktveranstaltung in Neumünster. 20 beteiligte Praxen werden Kenntnisse und Erfahrungen, die von Ärzten über mehrere Jahre zu Arzneimittelwirkungen, Geriatrie und Patientenpräferenzen gesammelt wurden, in praxistaugliche Handlungsanweisungen überführen. SAmS greift eine wichtige Begleiterscheinung der immer älter werdenden Bevölkerung auf. Bei einer steigenden Anzahl von Seniorinnen und Senioren treten mehrere Erkrankungen gleichzeitig auf (Multimorbidität), die leitliniengerecht von ihren Ärzten behandelt werden.
Dabei kommen bei jeder einzelnen Erkrankung im Schnitt drei bis vier Arzneimittel zum Einsatz. „So sind die Verordnungslisten unserer älteren Patienten in den vergangenen Jahren immer länger geworden“, berichtet Dr. Svante Gehring, der das Projekt für die Ärztegenossenschaft Nord leitet. Die gleichzeitige Verordnung von 15 und mehr verschiedenen Wirkstoffen sei keine Seltenheit mehr. Arzneimittelexperten warnen daher seit Jahren, dass die Risiken von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bereits ab fünf Medikamenten in der Fachwelt als Polypharmazie bezeichnet unübersehbar werden, wenn gerade bei älteren Patientinnen und Patienten Risiken nicht gewichtet und Interaktionen nicht beachtet würden.
Die Bedeutung des Konzepts macht Schleswig-Holsteins BARMER GEK Landesbereichsleiterin Ulrike Wortmann deutlich: „Rund sieben Prozent unserer schleswig-holsteinischen Versicherten im Alter von über 65 Jahren erhalten gleichzeitig Verordnungen für mehr als zehn Arzneimittel-Wirkstoffe. Häufig haben die Betroffenen aber den nachvollziehbaren Wunsch, möglichst wenige Medikamente einnehmen zu müssen.“ Hier setze SAmS an, das auf die freiwillige Teilnahme und Mitarbeit der Patientinnen und Patienten baue. „Auch eine zusätzliche Selbstmedikation, die häufig ohne Kenntnis der behandelnden Ärzte erfolgt, wird einbezogen. Denn diese kann zu weiteren Problemen führen“, ergänzt Wortmann. Dies setzt eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation voraus. „Wir wollen unsere Patientinnen und Patienten von Anfang an in das Projekt einbeziehen. Das Ziel, die Arzneimitteltherapie sicherer zu gestalten, werden wir ihnen gut erklären und sie dabei auch nach ihren Wünschen fragen“, kündigt Dr. Johannes Kandzora, der Vorsitzende des MPN, an. Er freue sich darauf, gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen die Vorarbeiten nun in Handlungsansätze für eine strukturierte Arzneimittelversorgung älterer Patientinnen und Patienten münden zu lassen.
Die notwendigen Prioritäten in der Arzneimitteltherapie zu setzen, sei angesichts der bestehenden Behandlungsleitlinien nicht immer einfach. „Hier ist das Fingerspitzengefühl der Ärztinnen und Ärzte gefragt“, sagt Kandzora. Für Sonja Laag, Projektleiterin auf Seiten der BARMER GEK, ist das Besondere bei SAmS, dass die Perspektiven aus der Praxis heraus zusammen mit der BARMER GEK entwickelt werden. „Als Krankenkasse können wir den Ärzten anhand der Arzneimitteldaten ein Feedback geben und Ergebnisse gemeinsam interpretieren. So lässt sich Versorgung vor Ort gestalten“, ist sich Laag sicher.
„Wir können und sollten unser Wissen viel stärker zusammenbringen, um es gestalterisch im Sinne einer guten Versorgung zu nutzen“, plädiert Laag. „Erklärtes Ziel von SAmS soll ein Behandlungskonzept sein, das zwischen Behandlungsleitlinien und Risiken der Mehrfachmedikation vermittelt. Gleichzeitig soll es den Praxisalltag und die Individualität der Patienten mit Alter und zunehmender Multimorbidität im Auge behalten“, fasst Dr. Svante Gehring zusammen. „Aus der Praxis heraus entwickelt ist SAmS nicht dirigistisch von oben angelegt und läuft somit weniger Gefahr, am Versorgungsalltag vorbei geplant zu sein“, so Gehring.