Norderstedt (em) Kontakte vermeiden und zu Hause bleiben: Was in der Corona-Pandemie zu einer Notwendigkeit geworden ist, um sich und Mitmenschen zu schützen, ist für Opfer von häuslicher Gewalt ein wahr gewordener Albtraum. Einen Ausweg finden Frauen im Frauenhaus. Doch die Nachfrage ist groß und die Plätze begrenzt. „Wir wünschen uns, dass sich alle Frauen, die Gewalt erfahren, ganz gleich wann und in welcher Form, an uns wenden“, sagt Yvonne Rickert vom Frauenhaus Norderstedt und betont: „Bei echter Liebe schlägt nur das Herz.“

Im Frauenhaus finden Frauen jedes Alters Zuflucht, mit und ohne Kinder. Sie kommen dabei aus allen gesellschaftlichen Schichten, was sie eint, sind die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt.

Der Schritt ins Frauenhaus ist dabei für viele Betroffene schwierig: Oft dauert es Jahre, bis Opfer von häuslicher Gewalt diesen Schritt gehen können. „Was für Außenstehende oft schwer zu verstehen ist: Der Schritt hinaus aus der Gewaltspirale erfordert großen Mut,“ sagt Anita Brüning vom Norderstedter Frauenhaus. „Wir sind aber jederzeit, auch während der Corona-Pandemie, für hilfesuchende Frauen und deren Kinder erreichbar und stehen ihnen unterstützend beiseite.“

Betroffene Frauen und Kinder finden ihren Weg zum Frauenhaus Norderstedt über die Telefonnummer 040/ 529 66 77 oder über die Hotline des Hilfetelefons 08000/ 116 016. Auch Nachbarn, Freunde, Familie oder Bekannte können die Betroffenen bei ihrem Weg in eine gewaltfreie Zukunft unterstützen, die Kontaktmöglichkeiten teilen oder sich selbst unter den genannten Telefonnummern Unterstützung holen. Durch die gute Zusammenarbeit der einzelnen Frauenhäuser in Schleswig-Holstein und Hamburg kann eine bestmögliche Unterstützung der von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder gewährleistet werden.

Wie alle Frauenhäuser bietet auch das Frauenhaus in Norderstedt unmittelbaren Schutz, begleitet und stabilisiert die Frauen und auch deren Kinder. Die Adresse des Frauenhauses ist aus Gründen der Sicherheit nicht öffentlich bekannt. Kameras rund um das Haus sorgen dafür, dass sich nähernde Personen schnell erkannt werden und damit für zusätzliche Sicherheit.

Im Frauenhaus begleiten ausgebildete Sozialpädagoginnen mit Zusatzausbildung in systemischer Beratung und Traumatherapie die Frauen und Kinder. Sie bieten Beratung und Unterstützung bei der Alltagsorganisation und stellen zudem Kontakte zu Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Ärztinnen und Ärzten her. Für die betroffenen Kinder werden intensive Betreuung und alters- sowie geschlechtsspezifische Unterstützung angeboten, damit auch sie die belastenden Erlebnisse verarbeiten können. Unter dem Motto „Männlich geht anders“ gibt es zudem ein spezielles Angebot, bei dem der Pädagoge und Gestalttherapeut Sascha Denzel den Jungen und Mädchen andere Vorbilder von Männlichkeit vorlebt.

Zu der Betreuung im Frauenhaus gehört auch der Blick in die Zukunft: Die Frauen, die im Frauenhaus unterkommen, benötigen langfristig eine eigene Wohnung. Auch hier werden sie von den Mitarbeitenden des Frauenhauses unterstützt, denn die Wohnungsmarktsituation in Norderstedt ist nach wie vor angespannt. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin hilft beim Umzug in das neue Heim. Mit dem Auszug aus dem Frauenhaus hört die Unterstützung der Mitarbeitenden nicht auf: In der ersten Zeit werden die Frauen weiter begleitet. Wie lange die Frauen zuvor im Frauenhaus Norderstedt untergebracht sind, hängt von vielen Faktoren ab und unterscheidet sich von Frau zu Frau. Ein durch einen Auszug frei gewordener Platz ist in der Regel schnell wieder belegt, denn der Bedarf ist hoch.

Der Kreis Segeberg hat im Dezember 2020 die Finanzierung von fünf weiteren Plätzen bis Ende 2021 bewilligt. „Die Nachfrage ist immer hoch, und jetzt in der Pandemie steigt sie noch einmal stark an“, sagt Claudia Meyer, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Norderstedt. Mit dem Frauenhaus arbeitet sie eng zusammen und weiß über die bestehenden Nöte: „Hier und da werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, aber das Frauenhaus braucht unbedingt dauerhaft mehr finanzielle Unterstützung. Das Frauenhaus hat gerade erst öffentlich um Spenden gebeten, um das Projekt ‚Männlich geht anders‘ weiterführen zu können.“ Es könnte nicht sein, dass beispielsweise die so wichtige und erfolgreiche Betreuung der Jungen durch eine männliche Fachkraft, die dazu auch noch eine Vorbildfunktion hat, in dieser Krise von Spenden abhängig ist, so die Gleichstellungsbeauftragte.