Norderstedt (em) Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote blickt zum Beginn der vierten Amtszeit als Leiter der Stadtverwaltung voraus auf die „Zukunftsstadt Norderstedt“:

Herr Grote, am 1. Dezember, beginnt Ihre nunmehr vierte Amtszeit als Oberbürgermeister unserer Stadt. Was sind Ihre wichtigsten Ziele für die kommenden sechs Jahre?

„Ich blicke im Sinne der Stadtentwicklung weit über diesen Zeitraum von sechs Jahren hinaus. Wir hatten seinerzeit ein Stadtentwicklungsprogramm, das ‘STEP 2010‘. Jetzt gilt es, ‘STEP 2035‘ auf den Weg zu bringen. Aber wir sollten es nicht als Programm mit festen Banden und Zielen formulieren, sondern als ein Stadtentwicklungsprojekt für einen Zeithorizont der nächsten 20 Jahre. Die digitale Zukunft wird völlig neue Maßstäbe setzen und neue Zukunftsperspektiven eröffnen, aber auch verändertes Handeln verlangen. Darauf müssen wir uns einlassen und uns gut vorbereiten.“

Sie sprechen häufig von der Zukunft als der „Digitalen Zukunft“ ...

„Wir kommen an der Digitalisierung nicht vorbei. Das ist und bleibt ein entscheidendes Thema. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen die Digitalisierung in vielen Bereichen unseres Lebens, aber auch für unsere gesamte Gesellschaft hat. Für viele Menschen ist es schwer, auseinander zu halten, was lange noch Vision bleiben wird, und was absehbar Wirklichkeit wird.

Es gilt, heute möglichst Antworten auch auf künftige Fragen zu erarbeiten. Dabei müssen wir interdisziplinär denken, also auch weit über das Rathaus, über die Stadtgrenzen hinaus. Aspekte aus den Themenfeldern Kommunikation und Automatisierung gilt es ebenso zu berücksichtigen wie soziale Fragen und die Entwicklung des Miteinanders in der Stadt und der Region. Unsere eigenen Stadtwerke und kommunalen Gesellschaften werden weit mehr als jemals zuvor, zentrale Träger und Mitgestalter der ‘Zukunftsstadt Norderstedt‘ sein.“
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

„Denken wir zum Beispiel an das Einkaufsverhalten der Menschen. Entwickelt sich der Online-Handel weiterhin wie in den vergangenen Jahren, müssen wir bei der künftigen Stadtplanung nicht nur den „echten“ Einzelhandel im Auge haben, sondern auch gezielt zusätzliche Dienstleistungsstandorte für Bring- und Holdienste direkt in den Wohnquartieren schaffen.

Der Sharing-Gedanke wird sich immer mehr durchsetzen. Car-Sharing-Flächen werden fester Bestandteil vieler Pläne für Bau- und Wohngebiete werden.

E-Mobilität, Echtzeitkommunikation, intelligente Versorgungsnetze, hochautomatisiertes Fahren, Mikrozellulare Netze, digitale Landtechnik: Dies sind keine Visionen mehr, sondern Realität in greifbarer Nähe und konkrete Maßnahmen dazu müssen schon heute in Entwicklungspläne einfließen.“
Und wie soll sich das Ganze zusammenfügen?

„Wir müssen lernen, anders zu denken und zu planen!
Nicht mehr in der kontinuierlichen Weiterentwicklung tradierter Strukturen, sondern bereit sein für das, was unter dem Begriff ‚Disruption‘ subsumiert wird. Ich glaube, der Schlüssel für Stadtentwicklung liegt darin, „modulare Zukunftspakete“ zu schnüren, also Bausteine zu schaffen, die wir Schritt für Schritt miteinander verbinden. Genauso wie wir heute Flächennutzungsplanung und ‘Sozialraumplanung’ als gleichrangige Instrumentarien haben.

Wir müssen für die Zukunft einen ‘regionalen Footprint‘, einen regionalen Fußabdruck, schaffen, der gleichermaßen unsere Gemeinschaft, Innovation, Nachhaltigkeit, Strategie aber auch persönliche Individualität, Wertesysteme und vielfältige Kultur beinhaltet. Dieser wird die Plattform, aber gleichzeitig auch das Image unserer Stadt (und unserer Region) sein.“

Eine der zentralen Zukunftsfragen ist sicherlich die nach der Mobilität im künftigen Norderstedt.

„Das ist ganz sicher richtig. Wir werden Sharing-Modelle (Auto und Fahrrad) ebenso weiterentwickeln wie ein eigenständiges Radwegesystem. Schnelle Radverbindungen zu Haltepunkten des ÖPNV, schnelle, einfache Umsteigemöglichkeiten im Mobilitätsverbund, das sind die Voraussetzungen für ein sich änderndes Mobilitätsverhalten der nächsten Generation.

Ein bedeutsamer Baustein wird eine leistungsstarke Schienen-Verbindung in Nord-Süd-Richtung (und zwar nicht nur in unserem Stadtgebiet) sein, die man in Zukunft an wichtigen Punkten auch mit einem lokalen „Ruf-Shuttle-Angebot“ verbinden kann. Dieser Ausbau sowie die Qualitätsverbesserung in Ausstattung und Taktfrequenz der Schienenverbindung muss mittelfristig realisiert werden.

Vor allem auch für die Generation der heutigen Schulabgänger, die in 15 bis 20 Jahren dann mit ihren Familien in Norderstedt leben werden, ist eine bestmögliche Mobilität ein wichtiger Faktor. Diese Generation schaut aber ebenfalls genau auf das „gute Image“ von Projekten, also auf Fragen von Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. (Thema lokaler/regionaler Footprint)“
Welche großen Projekte stehen in den kommenden Jahren darüber hinaus konkret an?

„Da ist zum einen der Bau des Bildungshauses in Garstedt. Es soll ein beispielhafter Treffpunkt für die Menschen der Stadt werden, wo Bildung und Weiterbildung, kommunale Serviceangebote und Freizeit miteinander verbunden werden. Echte Treffpunkte für Menschen, sei es in einer Offenen Bücherei, wie wir sie seit kurzem in Glashütte haben, sei es im Sportverein oder sei es in sozialen Einrichtungen werden gerade auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung stärker nachgefragt werden.

Weiterhin planen wir, bis 2018/2019 eine Erweiterung des Rathauses am Standort in Norderstedt-Mitte zu realisieren. Erste Planungsgelder werden derzeit in den Haushalt eingestellt. Die Verwaltung wird mit zentralem Sitz in der Stadtmitte bestehen bleiben. Wir werden im neuen Teil des Rathauses einen offenen Bereich als Bürgerbüro und Treffpunkt schaffen, der den Bürgerinnen und Bürgern von 7 bis 19 Uhr zugänglich sein wird.

Die Modernisierung unserer Schulen und der kontinuierliche Umbau zu Ganztagsschulen werden fortgeführt. Als ein Beispiel sei hier der geplante Neubau des Schulzentrums Süd genannt. Gleichermaßen gehört zu einer attraktiven Stadt auch ein attraktives, bedarfsgerechtes Angebot im gesamten Bereich der Krippen und Kindertagesstätten.“
Zuletzt ist die Einwohnerzahl Norderstedts kontinuierlich gewachsen. Geht es weiter mit dem Wachstum setzt die Stadt bewusst auf Wachstum?

„Wie bereits gesagt: Stadtentwicklung passiert in langfristigen Zyklen. Wir profitieren von der Lagegunst in unmittelbarer Nähe zu Hamburg und werden es auch weiterhin tun. Unsere Stadt wird weiter wachsen, und nicht schrumpfen. Wir werden aber unter anderem darauf eingehen müssen, dass immer mehr ältere Menschen in Norderstedt leben werden. Und wir sollten, stärker als in der Vergangenheit, bei der Frage nach der Stadtentwicklung auch die Entwicklung der Nachbarkommunen und des ganzen Kreises Segeberg im Blick haben.

Die Globalisierung ist eines der zentralen Themen der Weltwirtschaft und der interkulturellen Verknüpfungen; das heißt aber auch für uns, in ganz anderen Räumen und Quartieren zu planen und zu gestalten.

Die Stadtgrenzen definieren Strukturen, die im zukünftigen Miteinander, gerade in der Metropolregion keine dominante Rolle mehr spielen werden.

Nehmen Sie schon heute das Thema ‘Nordgate‘ als ein Beispiel für interdisziplinäres und interkommunales Handeln. Smart Cities, Smart Region, Smart Country sind heute Synonyme für künftige Lebensräume, Strukturen, Verknüpfungen und Erwartungen. Diesen Entwicklungen haben wir uns zu öffnen.

Wir werden als Verwaltung nicht auf Wachstum um jeden Preis setzen, auch deshalb nicht, weil die Stadt in finanzieller Sicht solide aufgestellt ist. Alles entscheidend ist, eine Balance zu schaffen zwischen Ausbau des Wirtschaftsstandortes und der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger; eine Balance zwischen den Interessen der verschiedenen Altersgruppen in unserer Stadt.“
Und alle zusammen sollen 2020 feiern dann wird Norderstedt 50 Jahre alt.

„Ich stelle mir vor, dass es dann nicht nur die eine, große Feier an zentraler Stelle, sondern über das Jahr hinweg viele Veranstaltungen gerade auch in den Stadtteilen geben sollte. Norderstedt ist so bunt und vielfältig, dies sollte sich auch in einem tollen Jahr widerspiegeln.“

Foto: Stadt Norderstedt