Norderstedt (em) Es ist vielerorts ein Dilemma: Von Schnee und Eis befreite Straßen, Rad- und Fußwege erfreuen deren Benutzer, für die Natur jedoch hat der Einsatz von Streusalz negative Folgen. In der schleswig-holsteinischen Stadt Norderstedt bekommen die Bäume entlang einer viel befahrenen Straße in diesem Winter testweise eine Spezialbehandlung. Eine Kombination aus gleich sechs Sanierungsmaßnahmen soll mittelfristig zur Re-Vitalisierung der rund 30 Jahre alten Winterlinden führen, die bereits Anzeichen einer Belastung durch Streusalz gezeigt hatten. So wurden die 23 ausgesuchten Bäume entlang der Oadby-and-Wigston-Straße im November unter anderem vom Erdboden bis in rund 40 Zentimeter Höhe mit auffälliger schwarzer Plastikfolie umwickelt. Diese Manschetten sollen verhindern, dass die Linden am Stammfuß über die Rinde mit Streusalz belastetes Spritzwasser aufnehmen, das die Autos aufwirbeln.

„Die Belastung von Straßengrün durch den Einsatz von Streusalz ist inzwischen in ganz Deutschland ein großes Problem“, sagt der Baum-Experte Christoph Lorenzen vom Fachbereich Stadtpflege und Friedhöfe innerhalb des Betriebsamtes Norderstedt. Bundesweit suchen demnach Fachleute nach geeigneten Maßnahmen, um die Straßenbäume gerade in größeren Städten zu entlasten. Diese Bäume, die ohnehin in Folge des Klimawandels mit abnehmenden Niederschlägen und erhöhter Sonneneinstrahlung zu tun haben, erfüllen laut Fachmann Lorenzen eine wichtige ökologische Funktion. „Dies ist eine wichtige, viel befahrene Straße. Aus Gründen der Verkehrssicherheit muss der Einsatz von Streusalz bei bestimmten Witterungsverhältnissen sein. Aber gerade auch deshalb, weil die Straße geneigt ist und komplett zur einen Seite hin auf den Grünstreifen mit den Bäumen entwässert, haben wir es langfristig mit einem pflanzenunfreundlichen Standort zu tun“, sagt Christoph Lorenzen.

Die Linden auf der östlichen Straßenseite zeigten bereits klare Anzeichen von verringerter Vitalität durch „Salzschäden“. Auch Laien könnten beispielsweise erkennen, dass die Bäume nur kleine Blätter ausbildeten. Das Salz schädigt die Bäume unmittelbar, vor allem aber verschlechtert sich langfristig das Bodenleben. Die Auswirkungen sind laut dem Baum-Experten nicht nur ökologischer, sondern auch ökonomischer Natur: „Die Bäume sind ein Stück Lebensraum, verbessern das Stadt- und das Wohnklima. Aber hier steckt auch richtig Geld drin.“ Gehe es den Bäumen schlecht, erhöhten sich die Kosten für die Baumpflege, weil zum Beispiel abgestorbene Äste regelmäßig entfernt werden müssten. Oder aber es müssten ganze Bäume durch neu zu kaufende Pflanzen ersetzt werden. Wenn die Stadt den Boden entlang der Oadby-and-Wigston-Straße, die nach der Partnerstadt in England benannt ist, komplett austauschen und neue Baumreihen setzen würde, entstünden Kosten von bis zu 6.500 Euro pro Straßenbaum.

Das Maßnahmenpaket, das nunmehr versuchsweise auf einem Teilabschnitt der Straße zur Anwendung kommt, kostet derweil nur annähernd 300 Euro pro Baum. Zusätzlich zum Anbringen der Schutzfolien am Stamm wurde der Boden rund um die Linden mit Druckluftlanzen belüftet. Weiterhin wurde Gips gestreut, das helfen soll, angelagertes Salz von der Baumwurzel zu lösen. In Stammnähe wurde Mulch ausgebracht, um das salzbelastete Wasser zu filtern. Die Straßenbäume wurden zum Winteranfang speziell gedüngt und außerdem wurden Mykorrhizza (Pilze) zur Anreicherung des Bodenlebens eingesetzt. Fachmann Christoph Lorenzen geht davon aus, dass man den Straßenbäumen diese Unterstützung über drei bis fünf Jahre angedeihen lassen muss. „Erst dann werden wir einen langfristigen Effekt erreichen.“

Ein derart milder Winter, wie es ihn bisher gegeben hatte, sei gut für die Straßenbäume, weil bis dato kaum Streusalz eingesetzt werden musste. Überhaupt bescheinigt auch der Baum-Fachmann seinen Betriebsamt-Kollegen, die sich auf Norderstedter Straßen um den Winterdienst kümmern, „nur ganz differenziert zu streuen“.